Die Amish leben wie vor 300 Jahren

Hoffnung aufs Himmelreich statt Strom und Luxus

Die Amish sind eine christliche Gemeinschaft, benannt nach ihrem Gründer Jakob Ammann. Sie entstand um 1630 in der Schweiz, doch schon bald wurde die Gruppe ehemaliger Mennoniten verfolgt und floh – in die USA, wo sie noch heute leben.

Autor/in:
Stefanie Ball
 (DR)

Es ist Maisernte. Fünf Pferde ziehen den Holzwagen, auf dem der Kutscher steht. "Ich brauche fünf oder sechs Stunden, dann bin ich fertig", sagt Chris und nimmt die Zügel in die Hand, mit denen er die Pferde zurück aufs Feld dirigiert. Nebenan im Garten recht seine Schwester Miriam das Laub zusammen. Ruth fährt mit einem Handrasenmäher ums Haus; beide tragen ein wadenlanges Kleid, darüber eine schwarze Schürze, ihr Haar ist mit einem Kopftuch bedeckt.

Neben dem Grundstück läuft eine Hochspannungsleitung vorbei. Haus Nummer 329 an der May Post Office Road in Strasburg/ Pennsylvania ist nicht verbunden. Vor der Haustür stehen zwei Roller mit breitem Trittbrett. Wenn Nancy, Mutter von zehn Kindern, später einkaufen geht, wird sie einen davon nehmen. Oder sie spannt ein Pferd ein und fährt mit der Kutsche ins Dorf. Die Fishers sind eine Amish-Familie; sie leben wie vor 300 Jahren. Dass zwischenzeitlich Autos, Fernseher und Computer, Jeans und Reißverschlüsse erfunden wurden, spielt in ihrem Leben keine Rolle.

Die Amish leben nach strengen Regeln und nach den Worten der Bibel. Ihre Zahl wird auf 250.000 geschätzt. Die größten Gemeinschaften gibt es in Ohio, Indiana und Pennsylvania.

Kühe melken, Kutsche fahren, Mais mahlen

"Ich mag unser Leben", sagt Miriam und schleppt die Melkmaschine zur nächsten Kuh. Die Maschine ist batteriebetrieben; das Laufband, das die Maiskolben zu einem Berg aufschichtet, hängt am Dieselmotor des Traktors. Die Waschmaschine funktioniert mittels Luftkompressor, und gelesen wird abends im Licht von Parafinlampen. Das war es dann aber schon an Luxus. Der Glaube fordert Demut und Bescheidenheit: keine modernen Errungenschaften, schlichte Kleidung, "Plain People", einfache Leute, werden die Amish auch genannt. Ihre Höfe und Häuser schließen sie nicht ans Stromnetz an, weil sie unabhängig sein wollen. "Wir sind es so gewohnt", sagt Miriam. "Wir haben nie etwas anderes kennen gelernt."

Bis sie sechs war, war Miriams Leben der Bauernhof. Dann ging sie zur Schule, in die sogenannte Einraumschule: Gemeinschaftsschulen der Amish, in der alle Altersklassen zusammenkommen. Die Lehrerin ist in der Regel jung und unverheiratet; sie unterrichtet die Kinder in Mathematik, Lesen, Geografie, Englisch und einem alten Bibeldeutsch.

Miriam spricht Pennsylvania Dutch, einen deutschen Dialekt mit englischen Einsprengseln, wie alle Amish im Alltag. Nach der achten Klasse endet die Schule; aufs College oder an die Universität geht kein Amish. Die Furcht, die Kinder dort zu verlieren, ist zu groß. Nancy sagt: «Die Kinder lernen in den Amish-Schulen alles, was sie für ihr späteres Leben brauchen.» Ihre Kinder müssen Pferde dirigieren können, Kühe melken, Kutsche fahren, Mais mahlen.

Am Wochenende kommen die Touristen

Am Sonntag ruht die Arbeit. Die Amish sind in Kirchendistrikten organisiert. 20 bis 30 Familien schließen sich zu einem Distrikt zusammen, dem ein Bischof und zwei oder drei Prediger vorstehen. Alle zwei Wochen ist Gottesdienst in einem der Häuser der Mitglieder. Die Amish bauen keine Kirchen - zu viel Brimborium. Zudem soll der Gottesdienst in Privaträumen die Einheit von Glaube und Alltag demonstrieren. "An den Sonntagen, an denen bei uns kein Gottesdienst ist, können wir Freunde und Verwandte in anderen Distrikten besuchen", erzählt Nancy.

Und noch jemand kommt am Wochenende zu Besuch: Touristen. Sie wollen die aus der Zeit gefallenen Menschen bestaunen, lassen sich in Kutschen übers Land fahren, kaufen auf Märkten die selbstgemachten Produkte ein: Marmeladen, Möbelstücke und Quilts. "Nein, ich fühle mich nicht wie in einem Museum", sagt Nancy - ja die Fishers haben ihre Farm sogar um einen Trakt für Gäste erweitert. Die können dann ganz authentisch einen echten Amish-Bauernhof miterleben. Mit Kuhmilch und warmen Keksen zum Frühstück - aber mit Strom. Über eine Kellertreppe sind die beiden Häuser miteinander verbunden: ein kurzer Weg zwischen zwei Welten, die 300 Jahre trennen. 


Quelle:
KNA