In Sierra Leone wird ein neuer Präsident gewählt

Zwischen Hoffen und Bangen

Das westafrikanische Land wählt am Samstag einen neuen Präsidenten. Bisher stehen die Chancen für den 2007 gewählten Ernest Bai Koroma vom Allgemeinen Volkskongress (APC) gut. Sein Herausforderer ist Julius Maada Bio von der Partei für die Menschen in Sierra Leone (SLPP), der während des Bürgerkrieges für kurze Zeit Staatschef war.

Autor/in:
Katrin Gänsler
 (DR)

Tida Fofanah hat ihren Arm vorsichtig um ihren Sohn gelegt. Der Säugling ist erst ein paar Stunden alt und schläft. Die 19-jährige Mutter schaut ihn immer wieder an und versucht zu lächeln. Doch Tida Fofanah ist selbst noch müde und erschöpft. Es ist ihr erstes Kind. Die Geburt im Krankenhaus von Makeni, knapp drei Autostunden von Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone, entfernt, ist gut gegangen. Trotzdem - für die anstehenden Wahlen in Sierra Leone hat Tida Fofanah momentan kaum einen Gedanken übrig.



Glückliche Mütter und gesunde Kinder - in Sierra Leone war das in der Vergangenheit häufig nicht die Regel. Das Land mit seinen rund

5,5 Millionen Einwohnern hat im weltweiten Vergleich die dritthöchste Müttersterblichkeits- und die höchste Kindersterblichkeitsrate. Laut Unicef erlebten im vergangenen Jahr 185 von 1.000 Kindern ihren fünften Geburtstag nicht. Viele Frauen haben schlicht kein Geld, um im Krankheitsfall Medikamente für den Nachwuchs zu kaufen oder gar im Krankenhaus zu entbinden.



"Auch ich hätte mein Kind unter Aufsicht meiner Großmutter auf die Welt gebracht", sagt Tida Fofanah. Doch sie hat Glück gehabt. Um die dramatisch hohe Sterblichkeitsrate zu senken, ist die Gesundheitsversorgung für Schwangere, stillende Mütter und Kinder unter fünf Jahren in Sierra Leone seit 2010 kostenlos.



Keine ausreichende Versorgung mit Medikamenten

Diese Reform des Gesundheitssystems könnte sich möglicherweise positiv auf die Wiederwahl von Präsident Ernest Bai Koroma auswirken. So weit will sich Modupeh Wilson, medizinischer Leiter des Krankenhauses von Makeni, zwar nicht aus dem Fenster lehnen.

"Aber es ist ein wichtiger Schritt für Sierra Leone", betont er. Gleichzeitig räumt er ein: "Bis das Angebot auf weitere Gruppen, zum Beispiel ältere Kinder, ausgeweitet wird, werden noch viele Jahre vergehen."



Außerdem garantiert die kostenlose Gesundheitsversorgung zwei Dinge nicht: eine Erhöhung des Personalschlüssels in Krankenhäusern und eine ausreichende Versorgung mit Medikamenten. Viele Menschen winken deshalb ab, wenn sie von der Gesundheitsreform die Rede ist. "Meine Frau ist schwanger. Aber ich würde sie nie in ein staatliches Krankenhaus zur Entbindung schicken", sagt ein Zollmitarbeiter am Flughafen in Lungi fast verächtlich.



Nötige Reformen

Die in Teilen kostenlose Gesundheitsversorgung wird von der Bevölkerung nur als erster Schritt einer bitter nötigen, umfassenden Reform in Sierra Leone gewertet. Der Durchschnittslohn liegt bei jährlich 700 Euro. Nur 35 Prozent aller Menschen, die älter als 15 Jahre sind, können lesen und schreiben. Gerade einmal 13 Prozent der Einwohner haben eigene Toiletten. Die Wasserversorgung ist marode, sauberes Trinkwasser für viele unerschwinglich. Die Folge davon war im Juni dieses Jahres einer der schlimmsten Cholera-Ausbrüche in der Geschichte des Landes.



Auch aus diesem Grund will die Opposition nicht an einen erneuten Sieg von Präsident Ernest Bai Koroma glauben - im Gegenteil. Auf seiner Homepage beruft sich Herausforderer Julius Maada Bio auf eine Umfrage mehrerer ausländischer Botschaften, die ein Ergebnis zu seinen Gunsten gebracht haben soll: eine Mehrheit im ersten Wahlgang. Dann würde eine Stichwahl notwendig.