Rechtes Denken gibt es auch in der Kirche

Nicht weniger Vorurteile

Fremdenhass passt nicht zur Botschaft der Nächstenliebe. Doch auch in den Kirchen gibt es rassistisches Denken, wie Studien zeigen. Rechtsextremisten, die offen ihre Gesinnung zeigen, tauchten in den Gemeinden aber bisher selten auf.

Autor/in:
Katrin Nordwald
 (DR)

Die Mordserie der Zwickauer Neonazi-Zelle bringt die Behörden bis heute in Erklärungsnot. "Sie hat auch deutlich gemacht, dass Rassismus kein Randphänomen, sondern in der Mitte der Gesellschaft gediehen ist", sagt Friedemann Bringt von der Bundesarbeitsgemeinschaft "Kirche und Rechtsextremismus". Die Kirchen sind davon nicht ausgenommen. Nach einer Studie der Universität Bielefeld haben Kirchenmitglieder nicht weniger Vorurteile gegenüber Minderheiten als die übrige Bevölkerung.



Im Ausmaß der Fremdenfeindlichkeit gebe es kaum Unterschiede zwischen Katholiken, Protestanten und Konfessionslosen, sagt Beate Küpper, Mitautorin der Studie: "Hier schützt die Religion nicht." Küpper verweist auf eine bundesweite Umfrage unter 2.000 Menschen im Mai und Juni 2011 zur Behauptung "Es leben zu viele Ausländer in Deutschland". Dieser Aussage stimmten von den Konfessionslosen 46,4 Prozent "eher" oder "voll und ganz" zu, bei den Katholiken waren es 51,2 Prozent und bei den Protestanten 45 Prozent.



"Die Botschaft der Nächstenliebe muss in der Kirche anders vermittelt werden", folgert die Wissenschaftlerin aus der Untersuchung. Für die Sonderauswertung der Langzeitstudie "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit 2001-2011" unter der Leitung des Konfliktforschers Wilhelm Heitmeyer wurden je zu einem Drittel Protestanten, Katholiken und Bürger befragt, die keiner Kirche angehören.



Schneider: Womöglich falsches Verständnis des Christentums

Die Arbeitsgemeinschaft "Kirche und Rechtsextremismus" fordert eine eigene Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), um das Ausmaß rechten Gedankenguts in der Kirche und die Gründe dafür zu untersuchen. "Wir brauchen eine wissenschaftliche Grundlage für entsprechende Bildungsarbeit in den Gemeinden und in der Ausbildung von Pfarrern und Kantoren", sagt Sprecher Bringt. Ein Antrag soll auf der EKD-Synode eingebracht werden, die vom 4. bis 7. November im Ostseebad Timmendorfer Strand stattfindet.



Für den EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider ist es nicht verwunderlich, "dass bei fast 24 Millionen evangelischen Kirchenmitgliedern gewisse Vorurteile vorhanden sind, die leider in unserer Gesellschaft insgesamt existieren". Der rheinische Präses plädierte bereits vor Jahresfrist dafür, zu erforschen, "was da in unseren Gemeinden umgeht, womöglich gar gestützt auf ein falsches Verständnis des Christentums". Christen seien aufgerufen zum Widerspruch "gegen die menschenfeindliche Ideologie des neuen Rechtsextremismus, wie sie sich besonders in rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Vorstellungen zeigt".



"Mit dem Kern des christlichen Glaubens unvereinbar"

Fälle offen gezeigter rechtsextremer Gesinnung in der Kirche wurden bislang nur vereinzelt bekannt. So gab es laut Schneider in der rheinischen Kirche einen Fall, in dem ein NDP-Aktivist in einen Kirchenvorstand gewählt werden wollte. In der braunschweigischen Landeskirche wurde 2007 ein Mann wegen Mitgliedschaft in der rechtsextremen Partei aus einem Presbyterium entlassen.



EKD-Sprecher Reinhard Mawick sieht aufgrund solcher Einzelfälle keinen Handlungsbedarf. "Wir haben bisher nicht von irgendwelchen nennenswerten Vorgängen im kirchlichen Kontext gehört, die auf eine rechtsextreme Haltung schließen lassen", erklärt er. Vielmehr engagiere sich die Kirche vielerorts gegen Rechts. "Und dass rechtsextremistische Gesinnung mit dem Kern des christlichen Glaubens unvereinbar ist, liegt auf der Hand."



Das fand auch die evangelische Gemeinde Teuchern in Sachsen-Anhalt: Sie entließ Gemeindekirchenrats-Mitglied Hans Püschel, der 2011 für die NPD bei einer Landtagswahl angetreten war. "Er ist weiter Kirchenmitglied, aber die Kirche distanziert sich deutlich von seiner Ideologie", sagt der damalige Ortspfarrer Thomas Wisch, heute Superintendent des Kirchenkreises Mittelmark-Brandenburg. Am Menschen Hans Püschel halte er dennoch fest. "Wenn ich ihn aufgeben würde, könnte ich meinen Pfarrerjob gleich an den Nagel hängen."