Die bayerische Mystikerin Anna Schäffer ist nun heilig

Die unheilbare Trösterin

Papst Benedikt XVI. hat die bayerische Mystikerin Anna Schäffer (1882-1925) heiliggesprochen. Vor mehreren Zehntausend Pilgern erhob er Schäffer am Sonntag auf dem Petersplatz in Rom in den Kreis der verehrungswürdigen Vorbilder für Katholiken in aller Welt.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
 (DR)

Zu der Heiligsprechung waren zahlreiche Pilger aus Bayern angereist, mehr als 2.000 allein aus dem Bistum Regensburg. Schäffer sei den Gläubigen in ihrer Heimat ein "leuchtendes Vorbild", sagte der Papst in seiner Predigt. Dies gelte besonders für die christliche Hospizbewegung. Deren "segensreiches Wirken" könne durch die Fürbitte der neuen Heiligen bei Gott gestärkt werden. Die neue Heilige, die aufgrund einer schweren Verletzung nicht in einen Missionsorden eintreten konnte, habe das "Krankenlager zur Klosterzelle" und das Leiden zum Missionsdienst gemacht, so Benedikt XVI.



An der Heiligsprechung nahmen auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch aus Freiburg, der frühere Regensburger Bischof und jetzige Präfekt der römischen Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, sowie weitere deutsche Bischöfe teil. Der Freistaat Bayern wurde vertreten durch Europaministerin Emilia Müller und Landtagspräsidentin Barbara Stamm (beide CSU).



Siechtum und bittere Armut

Das Leben der "Schreiner Nandl" beginnt unspektakulär: Im Winter 1882 wird sie in eine Handwerkerfamilie in Mindelstetten hineingeboren, ein kleines Dorf zwischen Ingolstadt und Regensburg. Anna ist ein gesundes, kräftiges Mädchen, fleißig in der Schule, eifrig im Gebet. Eine fromme Kinderseele, die früh den Vater verliert und Missionsschwester werden will. Weil ihre Familie die Aussteuer dafür nicht aufbringen kann, verdingt sie sich nach der Schulzeit in mehreren Dienststellen in Regensburg und Landshut.



Sie ist 16, da wird sie von einem verwirrenden Traum heimgesucht: Eine Gestalt in einem blauen Kleid und mit rotem Mantel kündigt ihr an, sie werde viel leiden müssen, noch bevor sie 20 Jahre alt werde. Drei Jahre später scheint sich die Prophezeiung zu erfüllen: Am 4. Februar 1901 rutscht die junge Frau in einem Forsthaus beim Reparieren eines Ofenrohrs unglücklich aus und verbrüht sich im Waschkessel bis über beide Knie.



Die Schmerzen müssen grausam gewesen sein. Es folgen 30 Operationen mit Hautverpflanzungen, zum Teil versagt die Narkose, es kommt zu spastischen Lähmungen, immer wieder wird das eitrige Fleisch herausgeschnitten - doch die Wunden heilen nicht mehr bis zu ihrem Tod nach 25 Jahren Bettlägerigkeit.



Siechtum und bittere Armut prägen ihr weiteres Leben. Neun Mark im Monat beträgt die Invalidenrente. Mit kleinen Näharbeiten versucht Anna Schäffer, die Kosten der teuren Heilungsversuche abzutragen. Ihr Bruder kommt mit der Situation nicht zurecht, so dass sie mit ihrer Mutter und Schwester das Elternhaus verlässt, um den Familienfrieden zu retten.



Der Pfarrer kümmert sich um sie neben weiteren Wohltätern. Vor allem die Dorfjugend bemüht sich, ihr Los zu lindern. Im Sommer streuen Kinder Blumen auf ihr Bett, im Winter bringen die Burschen einen Christbaum, dazu Geld, Kaffee und Waschpulver. Doch ihre größte Stärkung bezieht sie aus der täglichen Krankenkommunion, so dass sie sagen kann: "Vereint mit Jesus bin ich allzeit glücklich. Und wenn auch die Schmerzen meinen Leib durchwühlen, so fühle ich im Herzen doch eine Seligkeit, die ich nie auszusprechen vermag."



20.000 Gebetserhörungen

Anna Schäffer meditiert auf dem Krankenlager ihr Schicksal auf dem Hintergrund der Passion Jesu. Auf einem Tischchen beginnt die Bettlägerige eine umfangreiche Korrespondenz mit anderen Menschen in schwierigen Lebenslagen. Sie tröstet Kranke und verspricht allen, die sich mit ihren Nöten an sie wenden, Fürbitte bei Gott einzulegen - und das über ihren Tod hinaus. Bis heute sind 20.000 Gebetserhörungen dokumentiert. Jedes Jahr am Anna-Tag kommen am 26. Juli mehrere tausend Gläubige nach Mindelstetten an ihr Grab.



Für den Papst ist Anna Schäffer eine Frau aus seiner Heimat, die "in diesen 25 Jahren ihres Leidens eine große Reise nach innen und nach oben gemacht" hat, wie er am Vorabend ihrer Seligsprechung 1999 predigte, damals noch als Kardinal Joseph Ratzinger. Als eine Frau, "die das Leiden gelernt hat", habe sie auch eine Botschaft für die Welt der Schönen, Mächtigen und Erfolgreichen. Denn "wer nicht mehr leiden kann, kann auch nicht mitleiden".



Der Mindelstettener Pfarrer Carl Rieger, der Anna Schäffer jahrelang geistlich begleitete, war davon schon am Tag ihres Todes überzeugt. Beim amtlichen Eintrag des Sterbedatums ins Kirchenbuch setzte er mit Bleistift über ihren Namen den Zusatz "Sancta" - eine "Heilige".