Allensbach-Familienmonitor 2012

Noch immer "ganz traditionelle Rollenverteilung"

Elternzeit für Männer, Frauenquote in der Wirtschaft, Kindertagesstätten und Ganztagsschule - die Rahmenbedingungen für Familien ändern sich laufend. Aber ändern sich auch die Familien in ihren Strukturen und in ihrer Aufgabenteilung? Wilhelm Haumann vom Meinungsforschungsinstitut Allensbach im domradio.de-Interview über den Familienmonitor 2012.

 (DR)

domradio.de: Wie sieht die Rollenverteilung zu Hause aus? Wer kocht oder wer bringt die Kinder ins Bett?

Haumann: Es gibt so Vorstellungen, dass sich da alles verändert hat. Aber wenn man nachfragt, trifft man in den meisten Familien auf eine ganz traditionelle Rollenverteilung. In der doch überwiegenden Mehrzahl der Familien, sind es nach wie vor die Mütter, die sich darum kümmern, dass die Kinder betreut werden, und die die täglichen Arbeiten in der Familie übernehmen. 70 Prozent der Mütter von Kindern unter 18 Jahren sagen, dass sie die Arbeit zu Hause weitgehend alleine erledigen. Das besonders Interessante dabei ist, dass das auch von den teilzeit-berufstätigen Müttern 74 Prozent und den vollzeit-berufstätigen 51 Prozent über sich sagen. Sie sind also vollzeit-berufstätig, aber die Hälfte von Ihnen erledigt die gesamte Hausarbeit praktisch gleichzeitig und muss deshalb natürlich den Spagat zwischen Beruf und Haushalt hinbekommen! Denn die vollzeit-berufstätigen Väter beteiligen sich weitaus weniger an der Familienarbeit.



domradio.de: Woran liegt das denn wohl?

Haumann: Die Väter sagen, sie müssen bei der Arbeit häufiger Überstunden machen. Etwa jeder Zweite sagt das. Sie sind also auch beruflich stark eingespannt. Sie sind nicht etwa desinteressiert an den Familien, sondern es gelingt ihnen oft nicht, die Zeitanforderungen des Berufes hinzubekommen. Wir sehen natürlich auch, dass die Väter stark daran interessiert wären, mehr Zeit für die Familie zu haben. Und wir beobachten eine weitere kleine Veränderung: Gut zwei von drei Befragten sagen, die Väter beteiligen sich heute mehr an der Familienarbeit als noch vor zehn oder fünfzehn Jahren. Die meisten in der Bevölkerung finden das gut oder sehr gut.



domradio.de: Bei Manchen ist es so, dass die Mütter gerne wieder arbeiten würden, aber das doch nicht so klappt. Wie lässt sich das mit der Berufstätigkeit von Männern und Frauen vereinbaren

Haumann: In den Familien ist es oft so, dass die Berufstätigkeit des Vaters reibungslos funktioniert und die Mütter dann in höherem Maße Vereinbarkeitsprobleme haben. Sie müssen die Kinder zum Beispiel zu den Freizeitaktivitäten bringen. 38 Prozent der Mütter berichten, viel mit Transportaufgaben beschäftigt zu sein. Dadurch haben sie deutlich mehr Vereinbarkeitsprobleme als die Väter. Das hat auch ein bisschen damit zu tun, dass in den Betrieben nicht allzu viel Rücksicht genommen wird. Auch da gibt es eine Bewegung: Viele Betriebe haben erkannt, dass es wichtig ist, auch die Mütter als Arbeitskräfte zu gewinnen und helfen ihnen dementsprechend. Da könnte aber noch deutlich mehr geschehen, sagen viele Familien.



domradio.de: Gab es also eher ein schlechtes Zeugnis für Unternehmen oder fühlen sich die Familien von ihren Arbeitgebern überwiegend unterstützt?

Haumann: Sie fühlen sich zunehmend unterstützt. Aber nach wie vor haben sie den Eindruck, es könnte noch mehr geschehen, vor allem in der Flexibilität der Arbeitszeiten. Die Mütter wünschen sich mehr Teilzeitarbeitsstellen, und die Väter, dass sie nicht ganz so viele Überstunden machen müssen. Der Anstieg der Überstunden konnte nämlich jetzt während der guten Wirtschaftslage beobachtet werden. Was dann aber im wirtschaftlichen Sinne manchmal auch wieder erwünscht ist.



domradio.de: Was bedeuten denn die Antworten Ihrer Umfrage für die Familienpolitik in Deutschland?

Haumann: Die Familienpolitik hat in den Augen der Bevölkerung die Kernaufgabe, diese Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern; dort auch zusammen mit den Unternehmen, Möglichkeiten zu finden, dass es beispielsweise Müttern leichter fällt, ihre Familienaufgaben mit den Berufsaufgaben zu verbinden; dass sie leichter wieder nach der Familienphase in den Beruf einsteigen können. Also dort zu helfen, wo so ein bisschen die Strukturen hinter den tatsächlichen Verhältnissen zurück geblieben sind. Also dort, wo die Strukturen noch nicht so ganz auf die Familienförderung eingestellt sind.



domradio.de: Gab es ein Umfrageergebnis, das sie überrascht hat?

Haumann: Ja. Wir haben auch nach den Kinderwünschen gefragt. Da ist zu sehen, dass ganz junge Leute sich zum größten Teil Kinder wünschen. Nur weniger als zehn Prozent der unter 30-Jährigen sagen, dass sie keine Kinder wollen. Aber was sind denn die Gründe, die gegen ein Kind sprechen? Da ist es ganz wichtig, dass der richtige Partner noch nicht gefunden wurde und dass man nicht so genau weiß, was von der Zukunft erwartet wird. Also Dinge, an denen die Politik und die Unternehmen nicht wirklich viel machen können. Eine wichtige Rolle spielen aber auch finanzielle oder karrierebedingte Gründe. Beides wurde noch vor zehn Jahren von fast der Hälfte der Kinderlosen gesagt. Das hat sich heute deutlich reduziert: Beide Gründe werden nur noch von etwa einem Viertel der Kinderlosen genannt. Das hat auch ein bisschen mit der guten Wirtschaft zu tun, aber natürlich auch mit Maßnahmen wie zum Beispiel dem Elterngeld. Denn so sind die Einbußen nicht so groß, wenn das Kind da ist und die Mutter vorher gearbeitet hat.



Das Gespräch führte Dagmar Peters.