FDP-Abgeordneter kritisiert PID-Entwurf von Minister Bahr

Angebot und Nachfrage

In einem offenen Brief an Gesundheitsminister Bahr warnen mehrere Bundestagsabgeordnete vor einer zu großen Anzahl an PID-Zentren in Deutschland. Zu den Kritikern gehört auch der FDP-Abgeordnete Pascal Kober. Er befürchtet, dass ein bundesweites Angebot an PID-Zentren die Nachfrage nach PID weiter befördert.

 (DR)

domradio.de: Sie kritisieren unter anderem, dass es viel zu viele Zentren in Deutschland geben soll, in der die PID durchgeführt werden kann? Warum sind Sie dagegen?

Kober: Meine Befürchtung ist, wenn die Anzahl der PID-Zentren nicht klar definiert ist, dass dann das Angebot die Nachfrage nach PID befördern könnte. Ich denke, es wäre richtiger, wenn wir ein paar wenige Zentren haben, die dann aber auch entsprechende Kompetenzen aufbauen können und wo der wirtschaftliche Druck auch nicht so groß ist, dass sich diese Zentren rechnen. Wir rechnen gegenwärtig vielleicht mit einer Zahl von 200 Fällen, wo die Präimplantationsdiagnostik im Jahr angewandt wird. Wenn wir jetzt eine große Zahl von PID-Zentren haben, dann rechnet es sich für die PID- Zentren vielleicht nicht, wenn es nur so eine geringe Zahl an PID-Fällen geben wird. Entsprechend kann es dann sein, dass das Angebot die Nachfrage befördert und die PID-Zentren gezwungen sind, PID, ja... zu bewerben wäre vielleicht ein bisschen zu stark gesagt - ich belasse es bei der Beurteilung: Das Angebot schafft dann vielleicht die Nachfrage.



domradio.de: Und sind Sie auch der Meinung, dass die Paare auf so eine Werbung eingehen werden?

Kober: Werbung, da habe ich mich korrigiert. Ich würde nicht von Werbung sprechen, aber es sind ja weitere Probleme in dieser Verordnung. Beispielsweise auch, dass es keine einheitlichen ethischen Bewertungskriterien gibt. Das ist im Benehmen der Länder dieser Ethikkommissionen einzurichten, das bedeutet wir können am Ende 16 verschiedene Standards haben. Das kann natürlich nicht sein, sondern es muss schon einheitlich geregelt sein. Des Weiteren kritisieren wir beispielsweise, dass nicht klar definiert ist, welche Kompetenz in diesen Ethikkommissionen vertreten sein muss, welche Ärzte, welcher Fachrichtungen eigentlich vertreten sein müssen, um dann aber auch eine gute Beratung für die Eltern anbieten zu können. Wenn das alles nicht gewährleistet ist, dann fürchten wir, dass PID durchgeführt wird in Fällen, wo es vielleicht bei einer guten Beratung dann nicht geschehen wäre.



domradio.de: Das hört sich so an, als würde durch die Hintertür dafür gekämpft, dass es doch eine breite Anwendung der PID geben soll. Welche Interessen stehen Ihrer Meinung nach dahinter?

Kober: Ich möchte niemandem etwas unterstellen, aber es wäre wünschenswert, wenn wir klare, einheitliche Regelungen hätten, dass es dann jedenfalls nicht so leicht zu einer Ausweitung der PID auf mehr Krankheitsbilder, mehr Wünsche sozusagen der Eltern kommen kann.



domradio.de: Sie haben sich in einem offenen Brief an Gesundheitsminister Bahr gewandt, was erhoffen Sie sich davon? Denn Kritik an dem Entwurf ist ja auch schon im Juli geäußert worden und hat bisher keine Wirkung gezeigt, muss man leider sagen.

Kober: Als Abgeordneter bin ich meinem Gewissen verpflichtet und ich sehe es als meine Pflicht an, meine Stimme dann zu erheben, wenn ich glaube, dass etwas in die falsche Richtung läuft. Als Bundestag können wir nicht direkt Einfluss nehmen auf eine Verordnung, das macht das Ministerium ganz selbständig, aber ich halte es für meine politische Pflicht als Bundestagsabgeordneter, auch dann die Stimme zu erheben, wenn ich keinen direkten Einfluss habe, aber ich möchte das auf jeden Fall benannt haben, um mir später einmal nicht vorwerfen zu müssen: An der Stelle hast Du geschwiegen.



domradio.de: Sie haben jetzt gerade von ihrem Gewissen gesprochen. Welche Überzeugung treibt Sie an, sich so vehement gegen die PID einzusetzen?

Kober: Ich glaube, dass es nicht sein kann, dass irgendwer - ob es der Staat direkt ist oder eine Ethikkommission - bewerten darf, welches Leben lebenswerter ist als ein anderes. Das ist die Grundmotivation, die mich treibt. Ich bin Christ, von daher ist das für mich ausgeschlossen. Aber auch als liberaler Politiker vertrete ich, wenn Sie so wollen, eine fundamental-liberale Auffassung, dass das fundamentalste Recht des Einzelnen es ist, leben zu dürfen und dass nicht andere, aus welchen Gründen auch immer, entscheiden dürfen, ob ein Leben lebenswert ist oder ein anderes lebenswerter ist als ein anderes und solche Wertungsentscheidungen zu treffen.



domradio.de: Jetzt kritisieren Sie mit Ihrem Brief aber auch Ihren Parteikollegen Daniel Bahr. Wie reagiert denn die FDP, die ja in weiten Teilen immer pro PID war, den Vorstoß?

Kober: Wir sind gute Kollegen und ich anerkenne, dass er eine andere Einschätzung hat als ich, aber er hat mir gerade heute Morgen auch wiederrum umgekehrt versichert, dass er weiß, dass ich da zu einer anderen Einschätzung komme als er. Es ist eben eine sehr schwierige Frage. Wir haben deshalb im Bundestag auch sehr große Diskussionen geführt, die auch sehr ernsthaft geführt worden sind, aber ich kann es eben nicht ändern, wenn meine Fraktion zu einer anderen Einschätzung kommt als ich, aber der gegenseitige Respekt ist in jedem Fall da.



Das Interview führte Anna Kohn (domradio.de)



Hintergrund

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) wird für den Umgang seines Hauses mit der Präimplantationsdiagnostik (PID) von Bundestagabgeordneten aller Fraktionen kritisiert. In einem Brief, aus dem die "Welt" (Mittwoch) zitiert, bemängeln Parlamentarier sowohl von der Linken, der SPD und den Grünen als auch von CDU/CSU und FDP Bahrs Verordnung für die Durchführung von Gentests, mit denen Embryonen vor der Einsetzung in den Mutterleib auf schwerwiegende Erbkrankheiten hin untersucht werden.



Die Autoren kritisieren unter anderem, dass die im Entwurf vorgesehene Zahl der lizenzierten Zentren, an denen die PID durchgeführt werden darf, sowie der kontrollierenden Ethikkommissionen viel zu groß sei. Stattdessen verlangen die Unterzeichner, dass es nur eine bundesweite Prüfkommission geben soll: "In Anbetracht der angenommenen Fallzahlen sollte bundesweit möglichst nur eine Ethikkommission eingerichtet werden", schreiben die sieben Parlamentarier, die Unionsfraktionsvizes Johannes Singhammer (CSU) und Günter Krings (CDU), der FDP-Abgeordnete Pascal Kober, die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), die beiden Grünen Birgitt Bender und Harald Terpe sowie Kathrin Vogler von der Linken.



Zudem, so die Unterzeichner, solle diese Kommission größere Freiheiten haben, eine PID im Einzelfall abzulehnen. Im vorliegenden Entwurf hingegen würde "die Kommission auf ein lediglich beratendes Gremium reduziert", schreiben die Abgeordneten, so dass "allein aufgrund einer bestimmten Diagnose ein Anspruch auf PID besteht".



Die Verfasser monieren weiterhin, die Ethikkommissionen seien zu eng mit den durchführenden Zentren verbunden, die psychosoziale Beratung der betroffenen Eltern erfolge nicht neutral und die Krankheiten, bei denen die PID erlaubt werde, würden nicht genau genug dokumentiert. So sollten nach Meinung der Autoren "auch die Indikationen für die PID sowie mitgeteilte Nebenbefunde erfasst werden, um die Entwicklung der PID in Deutschland bewerten und einer ungewollten Ausweitung der Anwendungsfälle frühzeitig begegnen zu können". Die Abgeordneten "bitten" den Minister, "den Entwurf zu verändern und auf die aus unserer Sicht gebotenen Verbesserungen hinzuwirken".