Diskussion über Ökumene-Aufruf hält an

Angst vor neuen Spaltungen

Münsters Bischof Felix Genn hat den Aufruf prominenter Christen zu mehr Ökumene scharf kritisiert. Über die Öffentlichkeit Druck auf die Kirchenleitungen auszuüben, halte er für "wesentlich zu kurz gegriffen und deshalb nicht zielführend", findet Genn. Vielmehr könne ein solches Vorgehen, "welches die noch bestehenden Grunddifferenzen im sakramentalen Verständnis des christlichen Glaubens leugnet, zu neuen Spaltungen führen".

 (DR)

Es sei nicht einfach eine Frage der Übereinkunft zwischen den Kirchenleitungen, sich über Eucharistie und das kirchliche Amt zu verständigen, betont Genn in einem am Donnerstag veröffentlichten Schreiben. Hier lägen "viel tiefere, lehrmäßige Unterschiede, die weiter bedacht und aufgearbeitet" werden müssten.



Katholiken und Protestanten aus Politik und Gesellschaft hatten den Aufruf "Ökumene jetzt - ein Gott, ein Glaube, eine Kirche" am Mittwoch in Berlin veröffentlicht. 500 Jahre nach der Reformation und 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) sei es an der Zeit, die Kirchenspaltung zu überwinden, heißt es darin. Unter den Unterzeichnern sind Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse und Altbundespräsident Richard von Weizsäcker.



Einheit war bereits ein Anliegen Jesu

Genn würdigt in seiner Erklärung aber auch die Intention des Aufrufs. Es sei völlig klar, dass damit ein Anliegen aufgegriffen werde, dass bereits Jesus am Herzen gelegen habe: "Die Einheit aller, die an ihn glauben." Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sei "in dieser Richtung sehr viel geschehen".



Der Direktor des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik in Paderborn, Wolfgang Thönissen, hielt dem Aufruf vor, er sei zu unbestimmt und lasse offen, wohin er ziele. Auch vielen ökumenisch engagierten Christen sei bewusst, dass "wir nicht gemeinsam Eucharistie feiern können, weil die theologischen Gründe noch nicht dafür sprechen", sagte der katholische Theologe dem Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland "katholisch.de". Andererseits sei das christliche Leben "ökumenisch viel dynamischer, als wir uns das meist vorstellen. Das wissen die Menschen und reden zu Recht von einer Einheit in versöhnter Verschiedenheit". Thönissen mahnte zugleich, die Ökumene nicht zu eng zu fassen. Die Deutschen übersähen leicht, dass auch die orthodoxen und die anglikanischen Kirchen dazu gehörten.



Der katholische Theologe Otto Hermann Pesch forderte unterdessen schnelle Schritte zur Überwindung der Trennung der Kirchen. Er widersprach im Deutschlandfunk Aussagen von Kirchenrepräsentanten, nach denen es immer noch großen theologischen Klärungsbedarf in entscheidenden Fragen gebe. "Die argumentativen Klärungen liegen seit Jahrzehnten auf dem Tisch", sagte er. "Man muss sich nur bedienen."



Ausweg Kirchengemeinschaft statt Kircheneinheit?

Pesch räumte ein, dass es weiterhin Unterschiede im Glaubens- und Kirchenverständnis zwischen Katholiken und Protestanten gebe. Die Frage sei aber, ob sie "wirklich noch kirchentrennend sind", oder ob sie nicht lediglich als Unterschiede in der Spiritualität, in der Theoriebildung oder in der praktischen Schwerpunktsetzung zu werten seien, "die durchaus legitim sind".



Realistisches Ziel der Ökumene ist laut Pesch nicht die Kircheneinheit, sondern eine Kirchengemeinschaft. Der Theologe verwies auf das Verhältnis der altkirchlichen Patriarchate untereinander. "Die waren rechtlich und auch in ihren Kirchenstrukturen durchaus unterschiedlich, hatten aber miteinander Kirchengemeinschaften. Das bedeutet, sie haben sich gegenseitig anerkannt in ihren Ämtern, in ihren sakramentalen Vollzügen und so weiter". Pesch ist Mitautor und Mitunterzeichner des am Mittwoch in Berlin vorgestellten Aufrufs prominenter Christen zur Überwindung der Kirchentrennung.