Neuregelung der Organspende tritt in Kraft

Vertrauen zurückgewinnen

Am Mittwoch tritt das geänderte Transplantationsgesetz in Kraft. Gemeinsam mit der neuen Regelung zur "Entscheidungslösung" soll es die Organspendebereitschaft in Deutschland erhöhen und die Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Transplantation erhöhen.

Autor/in:
Christoph Scholz
 (DR)

Den mutmaßlichen Organspendeskandal an der Göttinger Uniklinik hätten wohl auch die neuen Regelungen nicht verhindert. Umso deutlicher ist nun der Ruf nach Konsequenzen. Denn die Organspendebereitschaft beruht vor allem auf Vertrauen. Wie das Gesundheitsministerium betont, wird das geänderte Gesetz die bestehenden Kontrollen schärfer und transparenter gestalten. So sind die Transplantationszentren und Entnahmekrankenhäuser verpflichtet, der Prüfungskommission Unterlagen über Organvermittlungen zur Verfügung zu stellen.



Mit der Reform reagiert der Gesetzgeber auf eine widersprüchliche Situation: Einerseits zeigen sich 75 Prozent der Deutschen in Umfragen zur Organspende bereit. Andererseits verfügt nur jeder fünfte über einen entsprechenden Ausweis. Die Zahl der Organspenden ist 2011 erneut gesunken. Laut Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) gab es im vergangenen Jahr genau 1.200 Spender. Das waren 7,4 Prozent weniger als 2010. Zugleich warten etwa 12.000 Menschen auf ein Spenderorgan. Rund 1.000 Menschen auf der Warteliste sterben jährlich.



Wesentlich für höhere Organspenderzahlen dürfte die Verpflichtung aller Kliniken mit Intensivstation sein, Transplantationsbeauftragte zu bestellen. Sie sollen die Organspende koordinieren. Viele Krankenhäuser hatten bislang mögliche Organspender überhaupt nicht gemeldet. Experten führen die hohe Zahl an Spendern in anderen Ländern nicht zuletzt auf diese Beauftragten zurück.



Bessere Koordination

Mit dem neuen Gesetz verbessert die Bundesregierung auch die Situation von Lebendspendern. Künftig soll die Krankenkasse des Empfängers für alle Ansprüche des Spenders - von der Behandlung bis zur Rehabilitation - zuständig sein. Dazu zählt eine Entgeltfortzahlung für sechs Wochen, einschließlich der Sozialbeiträge. Ein erweiterter Versicherungsschutz für gesundheitliche Folgeschäden wird zeitlich nicht mehr begrenzt. So gilt etwa das Versagen einer verbleibenden Niere nach einer Nierenlebendspende als Versicherungsfall. Betroffene können somit sämtliche Ansprüche auf Rehabilitation und Entschädigung gegenüber dem Versicherungsträger geltend machen. Die Situation von Lebendspendern war 2010 ins Interesse der Öffentlichkeit gerückt, als SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier seiner Frau eine Niere spendete.



Gestärkt werden soll auch die Rolle der zuletzt umstrittenen DSO: Sie soll künftig als Koordinierungsstelle explizit im Gesetz festgeschrieben werden und festlegen, unter welchen Bedingungen Organentnahmen ablaufen. Bisher war dies der Bundesärztekammer vorbehalten. Schon bei der Reform des Gesetzes stand die Rolle der DSO immer wieder zur Debatte. Nun sehen sich die Kritiker durch den Göttinger Skandal bestärkt. Während Bundesärztekammerpräsident Frank-Ulrich Montgomery nun mehr Überwachungs- und Kontrollgremien für DSO und Ärzteschaft einfordert, wird unter Politikern der Ruf lauter, die Transplantation ganz in die Hände des Staates zu übergeben. In diesem Falle müsste wohl der Gesetzgeber erneut tätig werden.



Für neues Vertrauen könnte die geplante Aufklärungskampagne im Rahmen der "Entscheidungslösung" führen. Diese Regelung tritt ab 1. November in Kraft. Demnach sollen alle Bürger ab 16 Jahren regelmäßig über ihre Spendenbereitschaft befragt werden. Dazu sind die Krankenkassen aufgefordert, ihren Versicherten Informationsmaterial zuzuschicken und gegebenenfalls eine entsprechende Erklärung dokumentieren. Es bestehe aber keine Auskunftspflicht. Damit reagiert der Gesetzgeber auch auf Erkenntnisse der Bundesärztekammer, die zunächst einen Zwang zur Erklärung befürwortete, dann aber aus verfassungsrechtlichen Bedenken von dieser Pflicht abrückte.