Bethlehem feiert die Aufnahme auf die UNESCO-Welterbeliste

Vom Notfall zum Präzedenzfall

Freude in Bethlehem: Mit Feuerwerk und Transparenten feierten Palästinenser die Aufnahme der Geburtskirche Jesu in Bethlehem und die Pilgerroute dorthin auf die Welterbeliste der UNESCO. Es ist das erste Denkmal der Palästinensergebiete auf der Welterbeliste. Viele Palästinenser sehen darin auch einen Etappensieg auf dem Weg zu einem souveränen Staat.

Autor/in:
Andrea Krogmann
 (DR)

Der Entscheidung gingen hitzige Debatten mit mehr oder weniger deutlicher Opposition gegen das Vorhaben voraus, vor allem aus Deutschland und Israel. Schon die Aufnahme der Palästinenser in die UN-Organisation im Herbst 2011 hatte Israel veranlasst, kurzfristig palästinensische Steuergelder einzufrieren. Die UNESCO kostete der Schritt zudem erhebliche finanzielle Unterstützung aus den USA. Kirchenvertreter warnten in Vorfeld der Abstimmung vor einer Instrumentalisierung der Geburtskirche für politische oder kulturelle Zwecke. Ihre Sorge galt der kirchlichen Autonomie der Heiligen Stätte.



Auch nach der Annahme des palästinensischen Antrags sind die kirchlichen Reaktionen eher verhalten. Pierbattista Pizzaballa, als Kustos der höchste Beauftragte für die christlichen Stätten im Heiligen Land, betonte in einer ersten Stellungnahme, die Auszeichnung gelte der gesamten Altstadt von Bethlehem und nicht in erster Linie der Geburtskirche. Dies stelle die Entscheidung in ein anderes Licht, so der Italiener.



Die Geburtskirche sei "zuerst und hauptsächlich Ort des Gottesdienstes", betonte Pizzaballa. Entsprechend müssten "politische oder kulturelle Anliegen, ob lokaler oder internationaler Natur", von ihr ferngehalten werden. "Die Heiligen Stätten müssen ein Ort des Friedens und der Gelassenheit für alle Pilger bleiben, sie dürfen nicht zum Ort schwieriger Koexistenz werden", mahnte er. Zugleich begrüßte er die Ankündigung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, den Kirchen für die Verwaltung der Geburtskirche vollständige Autonomie zu gewähren und den Status Quo zu respektieren. Diese Zusicherung sei "sehr wichtig", so Pizzaballa.



Für manche mag die UNESCO-Entscheidung überraschend kommen - lautete doch die Empfehlung deren eigener Experten, des Internationalen Rates für Denkmalpflege ICOMOS klar, den Antrag zur Überarbeitung an die Palästinenser rückzuüberweisen. So beklagte sich der UNESCO-Botschafter Nimrod Barkan, es sei nicht klug von der UNESCO, den Rat der eigenen Berater in den Wind zu schreiben.



12.000 Quadratmeter mit Kreuzgängen, Klöstern und Grotten

Den drei beteiligten Konfessionen - griechisch- und armenisch-orthodoxe sowie römisch-katholische Christen - warfen die Experten mangelnde Zusammenarbeit vor. Die Kirchen wie auch die Besucher des Gotteshauses stellen nach Auffassung von ICOMOS einen erheblichen Teil des Problems beim Erhalt des verschachtelten Gebäudekomplexes dar, der sich über 12.000 Quadratmeter mit Kreuzgängen, Klöstern und Grotten erstreckt.



In der Palästinenserführung herrscht nun Freude und Stolz über das erste "Nationaldenkmal". Ministerpräsident Salam Fayyad sprach von einem "Sieg der Gerechtigkeit", der dem palästinensischen Volk Hoffnung gebe. Außenminister Riyad al-Malki dankte der UNESCO für die Anerkennung der kulturellen Rechte der Palästinenser, und PLO-Führerin Hanan Ashrawi sah in der Entscheidung das einzigartige Kulturerbe der Palästinenser bestätigt.



Für den jüngsten UNESCO-Mitgliedstaat könnte dies jetzt das Startsignal für weitere Initiativen werden. Aus dem "Notfall Grabeskirche" würde so ein Präzedenzfall für weitere palästinensische Welterbestätten. Die seitens der Palästinenser politisch gemeinte Nominierung wurde von Israel auch so verstanden. Der UNESCO-Beschluss, hieß es danach aus dem Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, sei der Beweis dafür, dass die Organisation aus politischen und nicht aus kulturellen Überlegungen entscheide. Und weiter, in Anspielung an die rund 40-tägige Besetzung im Jahr 2002: "Die Welt muss sich daran erinnern, dass die Geburtskirche, die den Christen heilig ist, in der Vergangenheit von palästinensischen Terroristen entweiht wurde."