Drei Fragen an Kopten-Bischof Damian zur Lage der Christen in Ägypten

"Unsere Sorgen sind enorm gewachsen"

Das Oberhaupt der Kopten in Deutschland, Bischof Anba Damian, beobachtet die aktuelle Entwicklung in Ägypten mit großer Sorge. Im domradio.de-Interview befürchtet er eine weitere Verschlechterung der Lebensbedingungen der christlichen Kopten nach der Wahl des Muslimsbruders Mursi zum Präsidenten.

 (DR)

domradio.de: Befürchten Sie nach der Präsidentenwahl eine generelle Verschlechterung der Lage der Kopten in Ägypten?

Bischof Damian: Wir haben große Sorgen, dass die Situation der Kopten schlechter werden. Schon im Vorfeld der Wahl sind bei sehr vielen Gruppierungen der Muslimbrüder Forderungen laut geworden nach der Durchsetzung der Scharia, der Umsetzung des Kalifats und der Eroberung der Welt und dem Bekriegen von Israel. Hinzu kommt die Solidarität und Allianz mit der Hamas und die außergewöhnliche neue Sympathie für den Iran. Die Gesamtheit erweckte den Eindruck, dass Ägypten eine stärkere islamische Einfärbung annehmen solle und dass die Rechte der Kopten noch schlechter werden könnten. Bis zu diesem Augenblick haben wir keinen Schutz und nicht den Status der Gleichberechtigung in Bezug auf unsere Rechte und Pflichten. Unsere Sorgen sind enorm gewachsen.



domradio.de: Zwingen denn die politischen Sachzwänge die Islamisten nicht automatisch zur Mäßigung?

Bischof Damian: Wir können es nur hoffen. Wenn der Präsident eine vernünftige Strategie hat, strecken wir unsere Hände aus und kooperieren mit ihm zum Wohle unseres Landes und Volkes. Die Kopten möchten mit ihren muslimischen Brüdern und Schwestern in Frieden, Würde und Harmonie leben. Wir haben keine politischen Ambitionen, wir wollen nur als gleichberechtigte Bürger in unserem eigenen Vaterland leben. Wenn der Präsident die wichtigsten Ziele der Revolution von 1952 im Auge behält, indem er Krankheiten, Armut und Ignoranz bekämpft, wenn er vernünftige Arbeit leistet zum Wohle aller Ägypter, dann arbeiten wir alle mit voller Kraft mit im Inland und Ausland.



domradio.de:  Es soll ja ein Kopte zu einem von drei Stellvertretern ernannt werden, ist das ein Zugehen auf Minderheiten oder nur eine Art Symbolpolitik, die kein Miteinander auf Augenhöhe möchte?

Bischof Damian: Wir haben gelernt, dass wir keine schnellen Urteile fällen dürfen. Die Weisheit der Wüstenväter besagt: Kein Lob und keine Kritik vor dem Ablauf eines Jahres und sechs Monaten. Also keine schnelle Euphorie, sondern langsam schauen, ob dieses Zugeständnis Alibifunktion hat um die Weltöffentlichkeit zu täuschen, oder ob das wahrhaftig eine Anerkennung des Prozentsatzes der Kopten in ihrem Heimatland und eine Würdigung ihrer Geschichte ist. Das wird sich herausstellen.



Aber die Vergangenheit ist so bitter, unsere Wunden sind so tief und schmerzen so erheblich, so dass ich mir nicht so leicht vorstellen kann, dass plötzlich eine Verbesserung unserer Situation zu erwarten ist. Es sei denn, es geschieht ein Wunder. Alles ist möglich. Aber aufgrund meiner Erfahrung kann ein Apfelbaum keine Birnen produzieren und Dattelpalmen können keine Tomaten hervorbringen. Was die Zukunft mit sich bringt, bleibt in den Händen des Allerhöchsten. Wir sind optimistisch und wir möchten keine Vorurteile haben. Wenn der Präsident sein Wort hält  und er die Menschen aufgrund ihrer Qualifikationen behandelt und nicht aufgrund ihrer Religion und Konfession, dann mache ich mir Hoffnungen, dass es eventuell besser werden könnte.



Das Interview führte Mathias Peter.



Hintergrund

Der koptisch-katholische Bischof von Luxor, Youhannes Zakaria, beurteilt die Wahl von Muslimbruder Mohammed Mursi zum ägyptischen Staatspräsidenten positiv. Er hoffe auf eine Erneuerung des Landes "im Geiste der Zusammenarbeit", sagte Zakaria am Montag dem vatikanischen Pressedienst Fides. Die Muslimbrüder hätten zwar vor dem Urnengang einige "beunruhigende Erklärungen" abgegeben.

Jedoch müsse man zwischen Wahlkampagne und konkreten Handlungen einer Partei an der Macht unterscheiden, so der Bischof.



Nach Angaben der staatlichen Wahlkommission vom Sonntag hatte sich Mursi mit 51,7 Prozent der Stimmen gegen den früheren Luftwaffengeneral Ahmed Shafiq durchgesetzt. Mursi soll am 30. Juni offiziell Nachfolger des im Februar 2011 gestürzten Präsidenten Husni Mubarak werden.



Der koptisch-katholische Bischof begrüßte zugleich Mursis Ankündigung, als Präsident die Interessen aller Ägypter vertreten zu wollen. Diese Worte hätten zur Beruhigung des Landes beigetragen. Gleiches gelte für die Versicherung, die wirtschaftliche Lage verbessern und den Tourismus wiederbeleben zu wollen, so der Bischof. In der Provinz Luxor habe die Mehrheit der Bevölkerung jedoch Ahmed Shafiq gewählt, berichtete der Geistliche. Der frühere Luftwaffengeneral sei vielen als geeigneter erschienen, um eine Fortsetzung des Tourismus zu gewährleisten.



Der Grünen-Sprecher für Menschenrechtspolitik, Volker Beck, rief Mursi auf, religiöse Minderheiten wie die Kopten und die Bahai zu respektieren. Zwar sei es gut, dass dem Militär nun ein Mann gegenüberstehe, der den Willen des Volkes vertrete. Keiner wisse aber, ob nun zwischen Muslimbruderschaft und Militär ein neues konservatives Bündnis entstehe oder ob ein Machtkampf drohe. "Das Schlimmste wäre aber, wenn zwischen diesen Kräften die demokratischen und liberalen Gruppen zermalmt würden."



Unter den überwiegend muslimischen Einwohnern Ägyptens leben unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen fünf und zehn Millionen Christen. Der weitaus größte Teil von ihnen gehört der koptisch-orthodoxen Kirche an. Es gibt aber auch rund 200.000 katholisch-koptische Christen; die koptisch-katholische Kirche ist eine mit Rom unierte orientalische Kirche. Seit Ende 2010 waren Kopten und ihre Kirchen wiederholt Ziel von Anschlägen islamistischer Extremisten. (kna)