Die Wahl Mohammed Mursis und ihre Folgen für Ägypten

"Auch Präsident der Kopten"

Die ersten Reaktionen auf die Wahl des neuen ägyptischen Präsidenten fielen gemischt aus. Im domradio.de-Interview sagt Henner Fürtig vom GIGA-Institut für Nahost-Studien, er verstehe zwar die Sorgen koptischer Christen. Doch Anlass dazu habe Mursi bislang nicht geboten. Im Gegenteil.

 (DR)

domradio.de: Meinen Sie,  die koptischen Christen haben berechtigte Angst vor dem neuen ägyptischen Präsidenten Mursi?

Fürtig: Ob sie Angst haben müssen, erscheint mir sehr fraglich. Dass sie Sorgen haben, ist offensichtlich. Immerhin ist Mursi einer der bekanntesten Führer der Muslimbruderschaft gewesen - der ältesten islamistischen Organisation, die wir kennen. Das muss Sorgen hervorrufen. Allerdings hat Mursi gleich nach seinem Amtsantritt versucht, diese Angst zu zerstreuen, indem er sich als Präsident aller Ägypter zu erkennen gegeben hat. Auch als Präsident der Kopten. Er ist ja auch demonstrativ aus der Muslimbruderschaft ausgetreten, um darzustellen, dass er nicht mehr als Präsident einer bestimmten Organisation, sondern des ganzen Landes regieren will.



domradio.de: Und in sein Parlament hatte er sich ja einen Christen und eine Frau geholt...

Fürtig: …auch wenn es offiziell ja offiziell aufgelöst wurde. Die Macht des neuen Präsidenten ist ja durch die Militärs erheblich eingeschränkt worden; kurz vor Bekanntgabe des Wahlergebnisses hatten sie die Verfassung noch mal dramatisch verändert. Einen derart schwachen Präsidenten gab es in Ägypten in den letzten 50 Jahren nicht. Allerdings ist er aber auch der erste demokratisch gewählte! Das ist ein Paradox.



domradio.de: Viele Kopten fürchten, es werde nun ein Islamistischer Staat errichtet, der Ihnen das Leben zur Hölle macht - Werden jetzt viele Kopten auswandern?

Fürtig: Damit ist zunächst nicht zu rechnen. Auch die Kopten sind gut im Land integriert. Sie haben Berufe, Familie und Besitztümer. Das wollen sie nicht zurücklassen. Erst mal müssen wir abwarten, die neue Verfassung will ja noch geschrieben werden, die alte wurde für ungültig erklärt. Letztlich ist Mursi nur von jedem vierten Ägypter gewählt werden. Es gibt auch sehr starke säkulare, liberale nicht-islamistische Kräfte im Land.  



Das Gespräch führte Uta Vorbrodt - hören Sie es hier voller Länge nach.