Sozialpfarrer über die Folgen der Bochumer Opel-Krise für die Region

"Das macht die Menschen einfach mürbe"

Das Bangen am Opel-Standort in Bochum hält an. Der Gelsenkirchener Industrie- und Sozialpfarrer Dieter Heisig im domradio.de-Interview über eine mögliche Schließung des Werkes, die Folgen für die Region und die Aufgaben der Kirchen.

 (DR)

domradio.de: Sie selbst sind gleich (beim Betriebratstreffen Montagmorgen, d. Red.) Treffen in Bochum dabei, rechnen Sie mit klaren Aussagen des Vorstandes?

Heisig: Ich erwarte Aussagen. Inwieweit sie klar sind, das bleibt noch dahingestellt. Das zeigt ja auch die Vergangenheit: Oft wurde mit Andeutungen operiert, und es gab keine klaren Ansagen. Von daher sind meine Erwartungen eher bescheiden.



domradio.de: Scheint es denn beschlossene Sache, dass die Zafira-Produktion verlagert wird?

Heisig: Die Befürchtungen sind schon begründet. Auf der anderen Seite gab es inzwischen auch schon wieder Gerüchte, dass das nicht unbedingt der Fall sein muss. Wobei sich dann natürlich die nächste Frage stellt: Was würde das in diesem Fall für die Menschen in Rüsselsheim bedeuten?



domradio.de: Das Werk dort würde dann geschlossen werden, befürchten sie?

Heisig: Das kann sein. Der Kern der Sache ist doch der: Menschen, die hier arbeiten, leben in der ständigen Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.



domradio.de: Ein Sprecher von Opel sagte am Wochenende, Opel stehe zu allen seinen Zusagen, wie zum Standortsicherungsvertrag, der bis Ende 2014 keine Werksschließungen und keine betriebsbedingten Kündigungen zulässt. Kann man sich darauf verlassen?

Heisig: Zunächst würde ich das unterstellen. Auf der anderen Seite: Was bedeutet das schon? 2014 ist schnell erreicht. Und es gibt immer wieder - das hat auch die Vergangenheit gezeigt - Entwicklungen, die plötzlich eine solche Zusage in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen.



domradio.de: Was bedeutet die aktuelle Situation für die Belegschaft?

Heisig: Beschäftigte bei Opel in Bochum leben in einer unheimlichen Unsicherheit. Es ist ja nicht das erste Mal, dass das Werk in Teilen oder seiner Gesamtheit bedroht ist. Und das macht Menschen einfach mürbe. Denn der Arbeitsplatz ist einfach mehr als ein Job. Da hängt so viel dran: Familien, ganze Lebensentwürfe. Und wenn dieser Arbeitsplatz bedroht ist, bedeutet das natürlich ein Leben in Angst für viele Menschen.



domradio.de: Hat das alles auch Auswirkungen auf die gesamte Region, wir erinnern uns noch an die Schließung des Nokia Werkes in Bochum.

Heisig: Das ist richtig. Wir leben hier in einer sehr gebeutelten Region, speziell in Bochum. Wir haben einen Strukturwandel zu bewältigen. Und das bedeutet, dass wir hier in der Region besondere Herausforderungen haben. Im nächsten Schritt heißt das, dass wir uns gesellschaftlich fragen müssen: Wie müssen wir eigentlich unsere wirtschaftlichen Spielregeln organisieren, damit Wirtschaft für den Menschen da ist - und nicht der Mensch für die Wirtschaft.



domradio.de: Was können die Kirchen in so einer Situation für die Menschen tun?

Heisig: Es ist sicherlich nicht die Aufgabe von Kirchen und Verbänden, direkt Betriebs- oder Kommunalpolitik zu betreiben. Auf der anderen Seite haben wir eine ganz wichtige Aufgabe in unterschiedlichen Situationen: Das ist einmal die konkrete Hilfestellung, möglicherweise bei Auseinandersetzungen, indem man Räume zur Verfügung stellt und anders logistisch unterstützt. Es gibt als Zweites die klassische kirchliche Herausforderung der Seelsorge. Das betrifft die Priester sowie Pfarrer und Pfarrerinnen beider Kirchen. Und die dritte Aufgabe: die gesellschaftliche Diskussion befördern; die Frage zu stellen, warum und wie gewirtschaftet wird.



Hintergrund: Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft fordert ein Ende der Spekulationen über die Zukunft des Opel-Werks in Bochum. "Wir wollen, dass endlich das Totenglöckchen vergraben wird", sagte die SPD-Politikerin am Montag auf einer Opel-Betriebsversammlung in Bochum. Es erzeuge viel Frust und Hoffnungslosigkeit, wenn ein Werk immer wieder totgeredet werde. Kraft betonte, die Landesregierung werde an der Seite der Opel-Mitarbeiter kämpfen. "Wir wissen, dass sich das Kämpfen lohnt, Herr Stracke", sagte sie in Richtung des Vorstandsvorsitzenden Karl-Friedrich Stracke. Kraft fügte hinzu, die Zeit bis zur Aufsichtsratssitzung am 28. Juni, in der über die Zukunft des Werks entschieden werden soll, werde genutzt, um an alle Beteiligten zu appellieren. (dapd)





Das Gespräch führte Pia Klinkhammer.