Roms Einigung mit Piusbrüdern scheint auf den Weg gebracht

"Schisma ist abgewendet"

Zwischen dem Vatikan und der traditionalistischen Pius-Bruderschaft zeichnet sich eine Verständigung ab. Der Vatikan bestätigte den Eingang einer "ermutigenden Antwort" der Priesterbruderschaft S. Pius X. auf die Forderung nach Anerkennung grundlegender Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils. Vatikan-Experte Paul Badde spricht im Interview von einer historischen Entwicklung und prophezeit eine Spaltung der Piusbrüderschaft.

 (DR)

domradio.de: Die Spekulationen haben sich in den letzten Tagen überschlagen und heute heute heißt es, dass Oberer Bernhard Fellay tatsächlich "Ja" zur Rückkehr gesagt hat. Was wissen Sie darüber?

Paul Badde: So ist es: Er hat "Ja" gesagt! Aber er hat eben in seinem Namen "Ja" gesagt. Er kann so wie es aussieht, nicht mehr für die gesamte Piusbrüderschaft sprechen. Das heißt: Der Prozess, den Joseph Ratzinger vor fast 30 Jahren angestoßen hat, kommt nun zu einem krönenden Abschluss, denn Fellay sagt: "Wir kommen zurück. Wir unterstellen uns dem Papst". Das heißt - es wundert mich, dass das keiner begreift -, da wird ein Schisma, eine Kirchenspaltung abgewendet. So etwas hat es seit Innozenz III, also im Mittelalter, nicht mehr gegeben.



Normalerweise läuft es ja so, dass eine neue Lehrmeinung entsteht und dann trennt sich ein Teil der Kirche ab. Die Kirchengeschichte ist voll davon. Dieser Papst hat es aber nun geschafft, dieses chismatische Potential, diese große schismatische Gruppe, die das 2. Vatikanische Konzil nicht mitmachen wollte, zurück ins Boot zu holen und einzubinden. Das heißt: Sie waren zwischen Boot und Beiboot, sie waren nicht ganz aus der Kirche heraus, aber im Grunde in den letzten 30 Jahren so isoliert, dass sie schon fast zu einer Sekte geworden waren, auch mit den entsprechenden Sekten-Allüren.



domradio.de: Sie sagen: Kaum einer begreift das. Was bedeutet das denn eigentlich für Sie, wenn Sie sagen: Das ist eine unglaubliche Geschichte in der Kirchengeschichte, das kam noch nie vor?

Badde: Das heißt, dass der Papst recht damit hat, wenn er sagt: Das 2. Vatikanische Konzil war kein Bruch, sondern es gibt eine Kirche, die auf dem Golgota im Jahre 30, also vor gut 2.000 Jahren gegründet wurde. Es gibt nur eine einzige Kirche durch alle Zeiten, und wir können nicht immer wieder neue Kirchen haben. Es gibt natürlich auch eine große Auseinandersetzung über die Wahrheit der Kirche, aber der Papst erteilt damit auch allen eine Absage, die meinen, dass mit dem 2. Vatikanische Konzil eine neue Kirche angefangen habe.



domradio.de: Warum ist es denn dem Papst so wichtig, dass gerade die Traditionalisten zur römischen Kirche zurückkehren?

Badde: Der Papst selbst liebt die Tradition. Es wäre ihm bei jeder anderen Gruppe genauso wichtig, aber es gibt keine andere vergleichbare Gruppe. Nehmen wir die Befreiungstheologen, aber das war keine Gruppe, sondern eine Theologie, die sich ausgebreitet hatte, der verschiedene Theologen anhingen. Aber es gab keine befreiungstheologische Gruppe in der Kirche, die sich abgespalten hätte. Sondern das waren nur verschiedene theologische Ausdeutungen, die das Vorgehen einzelner betraf. Aber die Piusbrüder waren eine einzelne Gruppe, die standen wie ein Mann zusammen und waren drauf und dran, die Kirche zu verlassen!



domradio.de: Gerade haben Sie gesagt, dass man damit rechnen muss, dass die Piusbrüder gar nicht geschlossen zurückkehren, denn Hardliner der Bruderschaft hatten ja angedeutet, einen solchen Schritt nicht mit vollziehen zu wollen. Wie sieht das jetzt aus?

Badde: Die Bruderschaft wird sich selbst spalten und reinigen. Sie werden sich von dem radikalen Rest und der Verkrustung lösen, die sie im Laufe der Isolation angesetzt haben. Ein kleiner Teil der Bruderschaft wird als Sekte weiterbestehen, ihre eigene Kirche gründen, wird immer radikaler werden. Aber der große Teil der Piusbrüder bleibt bei der Kirche, das ist ein einmaliger Vorgang.



domradio.de: Wie geht es nun weiter?

Badde: Das wichtigste ist bereits geschehen: Der Brief von Fellay ist angekommen. Dieser Brief ist ein Schritt in dem Prozess, der schon sehr lange andauert. Ein anderer dramatischer Schritt war die Aufhebung der Exkommunikation, der vier Bischöfe betraf, darunter Bischof Williamson, den Holocaust-Leugner, der sich jetzt auch abtrennt von dem großen Teil der Piusbrüder. Der ist ja schon die ganze Zeit kaltgestellt, den werden die Piusbrüder jetzt los.



Das war ein Schritt, und jetzt der neue Schritt, dass Fellay sagt: "Wir kommen zurück". Aber das ist ein Prozess, der noch läuft. Der Brief wird hier analysiert werden. Die Kirche Roms ist ewig und schon 2.000 Jahre alt, die werden nichts überstürzen und sich nicht dem Sekundentakt der Medien anpassen. Später wird es vielleicht eine Erklärung zu diesem Brief geben, im Mai dann vielleicht eine Antwort. Aber ich erwarte, dass Pius X. eine Personalprälatur bekommt, so ähnlich wie das Opus Dei oder auch die anglikanische Kirche. Die Kirche wird dadurch reicher und pluralistischer, sie bietet immer mehr Gemeinschaften eine Wohnung und ein Bleiberecht.



Das Interview führte Monika Weiß.



Hintergrund

Der Vatikan hat eine Antwort des Generaloberen der traditionalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X., Bernard Fellay, erhalten. Der Text werde jetzt von den zuständigen Stellen geprüft und dann dem Papst zur Entscheidung vorgelegt, heißt es in einem Kommunique der zuständigen Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei vom Mittwoch.



Im Gegensatz zu den früheren unbefriedigenden Antworten handele es sich diesmal um einen "Schritt vorwärts und einen ermutigenden Vorgang", sagte Vatikansprecher Federico Lombardi. Es handele sich jedoch noch nicht um ein definitives Ergebnis; der Dialog mit der Piusbruderschaft sei noch nicht abgeschlossen. Fellays Antwort werde jetzt "binnen kurzer Zeit" von der Glaubenskongregation untersucht, so Lombardi.



Auch die Piusbruderschaft selbst bezeichnete Meldungen über eine Einigung als verfrüht. Der Sprecher der Piusbrüder, Alain Lorans, sagte am Mittwoch in Paris der Nachrichtenagentur APIC, man sei "noch in der Phase des Studierens". Es sei aber "nicht bereits alles abgemacht".



Der italienische Vatikanexperte Andrea Tornielli hatte in der in Bonn erscheinenden "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" (Onlineausgabe Mittwoch) berichtet, Fellay habe die Lehrmäßige Präambel unterzeichnet zurückgeschickt, die ihm der Vatikan im September zur Zustimmung vorgelegt hatte. Demnach hätten sich beide Seiten auf eine Wiedereingliederung in die katholische Kirche geeinigt. Der Text, den Fellay jetzt nach Rom zurückgeschickt habe, enthält nach Torniellis Angaben "einige wenige Änderungen".



In einem weiteren Bericht Torniellis im Magazin "Vatican Insider" hieß es, es sei durchaus möglich, dass sich Anfang Mai die Mitglieder der Glaubenskongregation mit der Antwort der Piusbrüder befassten. Dann werde es noch einige Wochen brauchen, bis eine Personalprälatur für die rückkehrwilligen Traditionalisten eingerichtet sein könnte.



Die bislang nicht veröffentlichte Vatikan-Präambel enthält Kriterien zur Interpretation der katholischen Lehre sowie Bedingungen für eine mögliche Überwindung der theologischen Differenzen zwischen dem Vatikan und den Traditionalisten. Diese sind seit einer unerlaubten Bischofsweihe 1988 von Rom getrennt.



Tornielli schreibt, etwa ein Viertel der Bruderschaft sei gegen eine Einigung. Dazu gehörten auch die drei vom Gründer Marcel Lefebvre zusammen mit Fellay geweihten Bischöfe, also Bernard Tissier de Mallerais, der Spanier Alfonso de Galarreta sowie der Holocaustleugner Richard Williamson.



Der Vatikan hatte Fellay aufgefordert, eine "Lehrmäßige Präambel" zu unterzeichnen und darin das kirchliche Lehramt anzuerkennen. Die Antwort der Piusbrüder zu Jahresbeginn hatte noch deutlich ablehnend geklungen. Bei einer Begegnung im Vatikan am 16. März wurde Fellay aufgefordert, binnen eines Monats zu antworten; danach hatte es versöhnlichere Äußerungen der Bruderschaft gegeben. Der deutsche Distriktobere Franz Schmidberger etwa erklärte, es gebe begründete Hoffnungen für eine zufriedenstellende Lösung. Eine positive Antwort auf die Präambel wäre Voraussetzung für eine mögliche Aussöhnung.



Papst Benedikt XVI. hatte im Januar 2009 als Entgegenkommen die Exkommunikation der vier von Lefebvre geweihten Bischöfe zurückgenommen. Der Schritt hatte für Empörung gesorgt, da unter den Betroffenen auch der Holocaustleugner Richard Williamson war.



Im Anschluss hatten Vatikan-Experten von Ecclesia Dei sowie der Piusbrüder in einer eineinhalbjährigen Dialogrunde bestehende theologische Differenzen ausgelotet. Streitpunkte waren dabei Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) zur Ökumene, zur Religionsfreiheit und zum interreligiösen Dialog, die bislang von den Piusbrüdern abgelehnt werden. Der Vatikan macht eine Annahme dieser Konzilsaussagen zur Bedingung für eine Wiedereingliederung der Piusbrüder in die katholische Kirche.



Als mögliche Lösung, die zu einer Wiedereingliederung der Bruderschaft in die Kirche führen könnte, wird immer wieder der Status einer Personalprälatur ins Gespräch gebracht, die direkt dem Papst unterstellt wäre. Diese Form einer juristischen Person wurde mit dem neuen Kirchenrecht 1983 eingeführt. Bislang kam sie nur beim Opus Dei zum Einsatz.



Der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Volker Beck, kritisierte die mögliche Annäherung zwischen Piusbruderschaft und Vatikan. Viele gläubige Christen sähen dies "mit brennender Sorge, so auch ich". Die Piusbruderschaft, so Beck, stehe "für Demokratiefeindlichkeit, Antisemitismus und Homosexuellenhass".