Die Frist für eine Antwort der Traditionalisten ist abgelaufen

Vor einer Einigung mit den Piusbrüdern?

Bringt Benedikt XVI. als Papst die Einigung mit der Pius-Bruderschaft zustande, die er als Kardinal nicht erreicht hat? Die Rückkehr der Traditionalisten in die katholische Kirche steht unmittelbar bevor – davon geht Kirchenhistoriker Kardinal Brandmüller aus.

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 (DR)

Ein Großteil der Traditionalisten werde sich der Einigung mit dem Vatikan anschließen, sagte der ehemalige Präsident der päpstlichen Historikerkommission bei einem Empfang zu Ehren des 85. Geburtstags von Benedikt XVI am Montag (16.04.2012) über der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hatte sich zuvor auch die Bruderschaft optimistisch gezeigt, dass eine Einigung mit der Kurie über ihre volle Reintegration in die römisch-katholische Kirche unmittelbar bevorstehe.



Die Kernfrage lautet: Unterschreiben die Piusbrüder die "lehrmäßige Präambel", die der Vatikan zur Bedingung für eine Kircheneinigung gemacht hat, und in der er die Anerkennung des kirchlichen Lehramts - einschließlich des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) - zur Grundvoraussetzung macht? Diese Präambel hatte die römische Glaubenskongregation der "Priesterbruderschaft St. Pius X." am 14. September 2011 zum Abschluss einer eineinhalbjährigen theologischen Dialogrunde überreicht.



Zwei erste Antworten der Traditionalisten waren im Vatikan als unzureichend zurückgewiesen worden. Offenkundig enthielten sie nicht das erwartete klares Ja oder Nein, sondern setzten auf weitere Verhandlungen und Modifizierungen. Zwischenzeitliche Vorschläge der Piusbrüder, Aussagen dieses Konzils nur insoweit akzeptieren zu wollen, als sie mit früheren Lehrmeinungen übereinstimmten, hatten Vatikanvertreter als inakzeptabel bezeichnet.



Neben der Öffnung hin zu der schismatischen Bruderschaft bezeichnete Brandmüller die Integration von übertrittswilligen Anglikanern in die katholische Kirche als weiteren Hauptakzent des Pontifikats von Benedikt XVI. Der ehemalige Kurienkardinal wertete die Bemühungen um eine Annäherung an die Traditionalisten und einen Teil der Anglikaner als Teil der Einheitsbestrebungen des Papstes. Unter den Anglikanern habe die Eingliederung eines Teils ihrer Gemeinschaft "ungeheure Sprengkraft" entfaltet.



Personalprälatur wie Opus Dei

Falls der Traditionalistenobere Bernard Fellay seine Unterschrift unter die Präambel setzt - deren Inhalt erst nach Abschluss der Verhandlungen veröffentlicht werden soll -, wäre das Schisma von 1988 repariert. Damals kam es zum Bruch, als Erzbischof Marcel Lefebvre, der Führer der konzilskritischen Bewegung in der Kirche, vier Bischöfe ohne Erlaubnis des Papstes, aber gültig weihte - und deshalb zusammen mit diesen exkommuniziert wurde.



Für den Fall einer Einigung könnte die Priesterbruderschaft als Personalprälatur der katholischen Kirche installiert werden - ähnlich wie das Opus Dei. Fellay und seine Gefolgsleute könnten innerhalb der Kirchengemeinschaft mit dem Papst einige Sonderrechte, etwa im Bereich der Liturgie und der Priesterausbildung, nutzen.



Sollten die Piusbrüder die Präambel nicht unterzeichnen, dürfte es definitiv auf ein Schisma, einen Bruch der Gemeinschaft mit dem Papst, hinauslaufen. Kurienkardinal William Levada hatte bei seinem letzten Treffen mit Fellay am 16. März eine solche schmerzhafte und unausweichliche Konsequenz deutlich gemacht.



Nicht die ersten Verhandlungen

Die vier Bischöfe, die derzeit keine kirchliche Anerkennung haben und somit weiterhin suspendiert (nicht aber mehr exkommuniziert) sind, würden endgültig aus der kirchlichen Gemeinschaft ausscheiden. Das Schisma würde mindestens für die Leitung der Priesterbruderschaft gelten und vermutlich für alle, die ihrer Entscheidung folgten. Es würde wohl auch die wachsende Zahl der Priester aus der Bruderschaft einbeziehen, jedoch nicht automatisch die Gläubigen, die an deren Gottesdiensten teilnehmen.



Zu einem kleineren Schisma könnte es auch dann kommen, falls Fellay die Präambel unterzeichnet. Denn bereits im Vorfeld hatten Hardliner seiner Bruderschaft angedeutet, einen solchen Schritt nicht mitvollziehen zu wollen. Innerhalb der Bewegung käme es wohl zu einer internen Spaltung. Dass das Ringen mit den Traditionalisten bis in die letzte Minute Dramen bereithält, weiß niemand besser als der Papst. Als Kardinalpräfekt der Glaubenskongregation hatte er bereits im Mai 1988 mit Fellays Vorgänger Lefebvre eine Einigung erzielt, die sein Verhandlungspartner dann aber buchstäblich über Nacht wieder verwarf.