Betreuungsgeld weiter Streitpunkt in der Union

Einigung in weiter Ferne

Der Streit um das Betreuungsgeld geht weiter. Nach bisherigen Plänen der Koalition soll es ab 2013 allen Eltern zustehen, die Kinder im Alter zwischen einem und drei Jahren nicht in öffentlichen Betreuungseinrichtungen unterbringen. Dagegen gibt es Widerstand innerhalb der Union.

 (DR)

Die Bundesregierung hält an der Einführung des umstrittenen Betreuungsgeldes ungeachtet der Kritik in der Koalition fest. Die Bundesregierung stehe zu den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Die Wahlfreiheit sei "ein hohes Gut", dem durch die Einführung der neuen Leistung Rechnung getragen werde. Bis zur Sommerpause solle ein abgestimmter Gesetzentwurf vorliegen, sagte Seibert. Dann ergebe sich "die Gelegenheit für alle notwendigen Diskussionen".



Ab dem 1. Januar 2013, spätestens aber zum August 2013 soll es zunächst 100 Euro pro Monat für Kinder im zweiten Lebensjahr, ab 2014 150 Euro für das zweite und dritte Lebensjahr geben. Im Haushalt sind dafür laut Eckwertebeschluss im kommenden Jahr 400 Millionen Euro, ab 2014 1,2 Mrd. Euro jährlich an Ausgaben eingeplant. Ob dafür anderweitig gekürzt wird, ist offen.



23 CDU-Abgeordnete hatten sich in einem Ende vergangener Woche bekanntgewordenen Brief an Fraktionschef Volker Kauder gegen die bisherigen Pläne nach den Vorstellungen von Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) gewandt. Die FDP plädierte indes für neue Gespräche.



Opposition fordert Stopp der Pläne

Die Opposition bekräftigte am Montag ihre Kritik am Betreuungsgeld und verlangte einen Stopp der Pläne. Die familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Caren Marks, forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einem "Machtwort" gegen die geplante Leistung auf. Eine Geldleistung einzuführen, die für einen Verzicht auf einen Kitaplatz gezahlt werden soll, wäre absurd, sagte Marks.



Die Grünen-Familienexpertin Katja Dörner rief Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) auf, "dem Spuk endlich ein Ende zu bereiten". Die CSU dürfe mit dem Betreuungsgeld nicht "der gesamten Republik ihr rückwärtsgewandtes Familienbild aufzwingen".



Diana Golze von der Linksfraktion nannte das geplante Betreuungsgeld eine "Bildungs- und Erwerbsbremse", die unter allen Umständen gestoppt werden müsse: "Mit Rollenbildern aus dem 19. Jahrhundert kann man keine Familienpolitik für das 21. Jahrhundert machen", sagte sie.



Beim Betreuungsgeld geht es auch um die Förderung privater Betreuung

Im Kern geht es bei der geplanten Maßnahme nicht allein um die vielzitierte "Herdprämie" für Mütter, die zur Erziehung ihrer Kleinkinder zu Hause bleiben. Die maßgebliche Initiatorin des Betreuungsgelds, die CSU, will damit auch die private Betreuung fördern - als Alternative zu staatlich geförderten öffentlichen Kindertagesstätten.



Am 6. November hatte der Koalitionsausschuss die Einführung des Betreuungsgeldes für Kinder im 2. und dritten Lebensjahr beschlossen. Bereits im Koalitionsvertrag hatten sich Union und FDP auf die Leistung verständigt. Das Geld soll an Eltern ausgezahlt werden, deren Kleinkinder von ihnen selbst oder privat betreut werden, also etwa durch Tagesmütter ohne staatliche Förderung, Au Pairs oder Verwandte.



Nach Vorstellungen der Haderthauer soll das Betreuungsgeld unabhängig von sozialer Bedürftigkeit oder der Zahl der wöchentlichen Arbeitsstunden gezahlt werden. "Es ist für die vollzeitbeschäftigte Führungskraft, die für ihr Einjähriges eine Kinderfrau engagiert, genauso gedacht wie für die Krankenschwester, die zu ungünstigen Zeiten arbeitet und sich auf eine Tagesmutter verlässt (...)", erklärt sie in einem Papier zum Thema.



Die CSU sieht den Ausbau staatlich geförderter Kinderbetreuung skeptisch. Haderthauer zieht zur Argumentation gern Studien heran, denen zufolge "institutionelle Betreuung" die "verlässliche Bindung" nicht leisten könnte, die Kinder in den ersten Lebensjahren bräuchten.



Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU), selbst eigentlich keine enge Freundin des Betreuungsgeldes, arbeitet seit geraumer Zeit an einem Gesetzentwurf. Dieser soll den "sinnlosen Kulturkampf", wie sie es nennt, zwischen Kita-Kritikern und Befürwortern frühkindlicher Betreuung in öffentlichen Einrichtungen beilegen. Das zieht sich freilich hin. Bis zur Sommerpause soll der Kompromiss-Entwurf nun vorliegen.



Mehrfach hat Schröder betont, sich bei dem Gesetzesvorhaben an bestehenden Modellen aus den Ländern orientieren zu wollen, insbesondere am thüringischen Erziehungsgeld. Diese Leistung für Eltern von Kindern im zweiten Lebensjahr wird auch gezahlt, wenn Eltern ihre Kinder in eine staatlich geförderte Kita geben, allerdings nicht mehr als fünf Stunden am Tag. Anders als die CSU will Schröder die Zahlung demnach nicht allein von der Frage nach dem Besuch einer öffentlich geförderten Kita abhängig machen.



Die katholische Deutsche Bischofskonferenz bekräftigte derweil ihre Zustimmung zum Betreuungsgeld. "Das Recht der Erziehung liegt zuerst bei den Eltern. Daraus folgt, dass unsere Gesellschaft Eltern in ihrer natürlichen Verantwortung für ihre Kinder nachhaltiger unterstützen muss", sagte der zuständige Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. Familiengerechte Politik sei Zukunftssicherung der Gesellschaft. Deshalb müssten Eltern die Priorität haben, ihre Kinder selbst zu erziehen. Dort, wo sie dazu aus eigenen Kräften nicht in der Lage seien, sollten sie anderweitige Betreuung in Anspruch nehmen können. "Eine einseitige Förderung staatlicher Betreuung schränkt die Wahlfreiheit für Eltern ein und bedeutet eine Benachteiligung familiärer Erziehungsleistung."



Familienbund fordert Wahlfreiheit bei der Gestaltung der Betreuung

Der Familienbund der Katholiken fordert angesichts der aktuellen Debatte erneut, die Leistung allen Eltern mit Kindern bis zu drei Jahren zu gewähren. "Es darf keine Beschränkung auf Eltern geben, die für ihre Kinder keine Betreuung in einer Kita in Anspruch nehmen. Wir brauchen vielmehr eine Leistung für das zweite und dritte Lebensjahr für alle Eltern. Dies hilft, den finanziellen Druck durch einen Verdienstausfall zu mildern oder die Kosten für Kinderbetreuung zu reduzieren", sagte die Präsidentin des Familienbundes, Elisabeth Bußmann. Elterliche Aufmerksamkeit und Sorge seien unteilbar und verdienten unabhängig von der konkreten Ausgestaltung gleichermaßen Anerkennung und Förderung.



Der Familienbund fordert eine Anschlussleistung an das Elterngeld in Höhe von 300 Euro für alle Eltern. Die dreijährige Elternzeit, die eine freie Wahl der Betreuungsform in der für Kinder besonders sensiblen ersten Lebensphase ermöglichen soll, könne diese Funktion nur erfüllen, wenn sie während des gesamten Zeitraums finanziell flankiert wird. Das derzeitige Elterngeld erstrecke sich lediglich auf das erste Lebensjahr des Kindes und müsse deshalb ergänzt werden. Im Sinne eines erweiterten Elterngeldkonzepts müsse der Mindestbetrag des Elterngeldes deshalb auf das zweite und dritte Lebensjahr des Kindes erstreckt werden.