Aschermittwoch der Kirchen beleuchtet Zukunft des Sozialstaats

Drei Fragen an den Bischof

Die Zukunftsperspektiven des Sozialstaats stehen in diesem Jahr im Mittelpunkt des Sozialpolitischen Aschermittwochs der Kirchen mit dem rheinischen Präses Nikolaus Schneider und dem Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Im domradio.de-Interview stellt Bischof Overbeck das Programm vor.

 (DR)

domradio.de: Soll der sozialpolitische Aschermittwoch einen bewussten Gegenpol  zum politischen Aschermittwoch darstellen?

Bischof Overbeck: Die Geschichte des sozialpolitischen Aschermittwochs in unserem Bistum  und später auch in ökumenischer Verbundenheit mit der evangelischen Kirche im Rheinland  hat damit zu tun, unsere vielen sozialen Anliegen, die wir als Christen hier im Ruhrgebiet haben,  nochmal in Verbindung zu bringen mit den Wirklichkeiten von Kirche und Politik. Das war kein bewusster Gegensatz, sondern einfach ein anderer Akzent, den wir schon seit Jahren setzen.   



domradio.de: "Der Sozialstaat des 21. Jahrhunderts brauch zwei Beine"  Das ist das Motto in diesem Jahr. Was soll das konkret bedeuten?

Bischof Overbeck: Es ist immer wichtig, Themen aufzugreifen,  die die Menschen berühren, die Fragen der Bildungspolitik und der Sozialpolitik zusammenzusehen und nicht  gegeneinander auszuspielen. Und von daher auch noch einmal deutlich zu machen: Bildung ist ein elementarer Teil unseres Wohlfahrtstaates. Aber es geht eben darum, beide Beine, nämlich den bildungspolitischen Teil und auch den sozialpolitischen Teil nicht immer gegeneinander auszuspielen, sondern miteinander  zu sehen. Weil erfolgreiche Wohlfahrtsstaaten unserer Meinung nach den Auftrag haben, die Bevölkerung und das sogenannte Humankapital innerhalb der Bevölkerung auf beiden genannten Ebenen nach vorne zu bringen. Das ist auch ein großes Problem hier in unserem Bistum  im Ruhgebiet. Das kann man aber bei vielen Menschen bei uns in Deutschland sehen und da wollen wir einen Akzent setzen.



domradio.de: Sie setzen sich heute auch für Solidarität und Gerechtigkeit ein. Wie steht es denn darum in  Deutschland?

Bischof Overbeck: Man kann beides immer nur zusammen denken und gerade der Sozialstaat hat beide Aufgaben. Auf der einen Seite dafür Sorge zu tragen, dass das solidarische Miteinander wächst. Es gibt viele positive Ansätze bei uns im Alltag, die ich immer wieder feststelle. Diese hervorzuheben ist mir wichtig. Es gibt natürlich auch einen großen Mangel daran, weil eine Gewinnmaximierung einerseits aber auch die Individualisierung andererseits diese Frage immer in den Hintergrund treten lassen. Gleichzeitig gehören Freiheit und Gerechtigkeit zusammen, und wir können nur dann in einem freiheitlichen Staat leben, wenn Gerechtigkeit geübt wird und zwar im Wesentlichen mit Solidarität.



Das Interview führte Aurelia Plieschke.



Hintergrund

Die Zukunftsperspektiven des Sozialstaats stehen in diesem Jahr im Mittelpunkt des Sozialpolitischen Aschermittwochs der Kirchen mit dem rheinischen Präses Nikolaus Schneider und dem Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Als Rednerin haben die Evangelische Kirche im Rheinland und das Bistum Essen die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Jutta Allmendinger, eingeladen. Sie spricht am Mittwoch in der evangelischen Auferstehungskirche in Essen zum Thema "Der Sozialstaat des 21. Jahrhunderts braucht zwei Beine".



Die Diskussionen um die Modernisierung des Sozialstaats kreisten um die "Kernfrage, wie wirtschaftliche Gewinne und soziale Bedarfe in gerechtem Ausgleich aufeinander bezogen werden", erklären der Ruhrbischof und der Präses in ihrer Einladung. Wirtschaftlicher Erfolg und soziale Beteiligung bedingten sich gegenseitig, betonen die Kirchen.



Mit dem Sozialpolitischen Aschermittwoch wollen die rheinische Kirche und das Ruhrbistum seit 1998 einen "Kontrapunkt zum Politspektakel der Parteien" am Aschermittwoch setzen. Ausgehend von ihrem 1997 veröffentlichten gemeinsamen Sozialwort treten die beiden großen Kirchen an diesem Tag in einem liturgischen Rahmen öffentlich für Solidarität und Gerechtigkeit in der Gesellschaft ein.