Köln und andere Städte beraten die Rehabilitation von Opfern der Hexenprozesse

Späte Ehrenrettung

In Köln wurde am Montag die Rehabilitation von Opfern der Hexenprozesse beraten, das Schicksal der Unternehmerin Katharina Henot stand dabei im Mittelpunkt. Die Stadt habe "eine historische Chance, ein Zeichen zu setzen", sagte vorher im domradio.de-Interview Hartmut Hegeler, der den Bürgerantrag gestellt hat.

Autor/in:
Jasmin Maxwell
Viele Städte erinnern heute an das Schicksal der Opfer von Hexenprozessen (DR)
Viele Städte erinnern heute an das Schicksal der Opfer von Hexenprozessen / ( DR )

Helene Curtens war 14 Jahre alt, als sie als Hexe angeklagt wurde. Sie soll einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und Unzucht mit einem Dämon getrieben haben. Zusammen mit einer anderen Frau wurde das Mädchen in Düsseldorf zum Tode verurteilt und verbrannt. Über 270 Jahre später gedachten im November Abgeordnete des Düsseldorfer Stadtrats der vermeintlichen Hexen in einer Schweigeminute.



Nicht nur in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt war Hexenverfolgung 2011 ein Thema. Rüthen im Kreis Soest war im März die erste Kommune in NRW, die Opfer von Hexenprozessen rehabilitierte und damit ihre Ehre wieder herstellte. Schnell fanden sich Nachahmer, darunter Sundern, Hilchenbach und Menden. Aktuell laufen Anträge auf Rehabilitierung unter anderem in Münster und Köln.



Mit einer offiziellen Rehabilitation der 1627 als Hexe verbrannten Kölnerin Katharina Henot soll sich der Kölner Stadtrat befassen. Der Ausschuss für Anregungen und Beschwerden befürwortete am Montag einen entsprechenden Bürgerantrag und leitete ihn an den zuständigen Fachausschuss des Rates weiter. Der Ausschuss für Rechtsfragen solle das Anliegen prüfen und an den Stadtrat überweisen. Zudem appellierte der Beschwerde-Ausschuss an das Erzbistum Köln, sich ebenfalls von dem vergangenen Unrecht zu distanzieren.



Den Bürgerantrag an den Stadtrat stellte der evangelische Theologe Hartmut Hegeler aus Unna. Seit zehn Jahren beschäftigt sich der pensionierte Berufsschulpfarrer mit der Zeit der Hexenverfolgung.



Bis zu 60.000 Opfer

Experten schätzen, dass der Verfolgung vor allem im 16. und 17. Jahrhundert in Europa etwa 40.000 bis 60.000 Menschen zum Opfer fielen, darunter 25.000 Menschen auf dem Boden des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. "Das ist ein historisches Thema, das längst nicht aufgearbeitet ist", glaubt Hegeler. Die Bürger vieler Städte wüssten gar nicht, dass in ihrer Nachbarschaft damals Unschuldige hingerichtet wurden.



Aus heutiger Sicht sei klar, dass Vorwürfe wie der Hexenflug oder Geschlechtsverkehr mit dem Teufel, die zum Straftatbestand der Hexerei gehörten, nicht stimmen könnten. Die Geständnisse der vermeintlichen Hexen seien unter Folter erpresst worden. "Wir sind es den Opfern schuldig, sie wenigstens moralisch zu rehabilitieren."



Das haben vor den NRW-Kommunen bereits einige hessische Städte getan, den Anfang machte 1996 Idstein, es folgten 2007 Eschwege und 2010 Hofheim am Taunus. Eine juristische Rehabilitation ist aber nicht möglich. Weil das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ohne Rechtsnachfolger unterging, könne heute niemand die Urteile aus den Hexenprozessen aufheben, heißt es im Düsseldorfer Justizministerium.



Hegeler geht es ohnehin um die moralische Ehrenrettung. Sie hat für ihn auch aktuelle Bedeutung: Die Mechanismen, die zu Hexenprozessen geführt hätten, gebe es noch immer, sagt der 65-Jährige. Die Suche nach Sündenböcken und das Streuen von Gerüchten nenne man heute Mobbing.



Appell auch an die Kirchen

Nicht nur von Stadträten, sondern auch von den Kirchen wünscht sich der Theologe eine Stellungnahme. Die Annahme, die Kirchen seien alleine für Hexenverfolgung verantwortlich, ist zwar längst überholt. Hexenprozesse fanden vor weltlichen Gerichten statt. Aber Theologen befürworteten die Verfolgung vielfach. In Köln bat Hegeler Kardinal Joachim Meisner, seinen Rehabilitierungsantrag zu unterstützen.



Einige Kirchenvertreter haben bereits ihre Mitschuld an der Verfolgung bekannt, wie 1997 die evangelisch-lutherische Kirche in Bayern und 2000 die Dominikanerprovinz Teutonia. Anderswo ist das Thema Neuland. "Es herrscht viel Unwissen", meint Hegeler. Mit Anfragen stoße er bei den Kirchen zwar oft auf Interesse, aber auch immer wieder auf Ablehnung.



Für überflüssig hält die Ratinger Historikerin Erika Münster-Schröer, die seit den 90er Jahren über Hexenverfolgung forscht, die Rehabilitierung der lange toten Opfer. "Dass es das Delikt der Hexerei nicht gibt und damals Menschen zu Unrecht umgekommen sind, das steht heute außerfrage", sagt Münster-Schröer. Zudem erinnerten viele Städten bereits mit Gedenksteinen an die Ermordeten.



Auch in den Kommunen herrscht nicht überall Konsens. In Düsseldorf lösten die vermeintlichen Hexen Helene Curtens und Agnes Olmans Streit im Stadtrat aus. Bei der Schweigeminute verließen einige CDU-Abgeordnete den Raum. Ihre Argumentation: Es gebe schon seit Jahren einen Gedenkstein für die Frauen. Jetzt soll zusätzlich ein Platz nach ihnen benannt werden.