Bischof bilanziert Antimissbrauchstreffen in Rom

"Hier gibt es kein Ausweichen"

In Rom ist der erste weltweite Kongress zum Umgang der Kirche mit dem Missbrauchsskandal zu Ende gegangen. Für die Deutsche Bischofskonferenz war Stephan Ackermann vor Ort. Der gemeinsame Wille sich dem Thema zu stellen, sei deutlich geworden, urteilt der Trierer Bischof im domradio.de-Interview. "Da gibt es kein Ausweichen." Das Treffen in Rom verpflichte alle Bischofskonferenzen, Leitlinien zur Prävention zu erlassen und Mitarbeiter zu sensibilisieren.

 (DR)

domradio.de: Seit Montag haben Sie in Rom nach Lösungen gesucht für das weltweite Problem "Missbrauch in der Kirche". Was hat der Austausch mit den Bischofskonferenzen aus anderen Ländern der Welt gebracht?

Bischof Ackermann: Ich glaube, man kann mehrere Dinge festhalten. Zunächst einmal war bei diesem Kongress der entschlossene, gemeinsame Wille ganz deutlich spürbar, vor allem auch von römischer Seite. Aber eben auch der Bischofskonferenzen untereinander, bei diesem Thema überhaupt nicht wegzuschauen, sich dem zu stellen, Leitlinien dort zu erstellen, wo sie bisher noch nicht erstellt worden sind und natürlich auch in die Prävention, in den Kinderschutz zu investieren. Das ist ganz deutlich geworden und ich glaube dieser Kongress hat auch insofern eine besondere Qualität, als dass die Verantwortung der kirchlichen Amtsträger in den Blick genommen worden ist, dass ganz klar auch zum Beispiel von der Glaubenskongregation deutlich gemacht worden ist: Hier gibt es kein Ausweichen, hier haben die Bischöfe, die Ordensoberen ihre Verantwortung wahrzunehmen und Rom wird auch ein waches Auge darauf haben, dass das geschieht. Das würde ich sagen, ist in dieser Entschlossenheit und in dieser Internationalität schon ganz bemerkenswert.



domradio.de: Nun haben Bischöfe aus aller Welt daran teilgenommen. Wie unterschiedlich ist denn das Problem in den verschiedenen Ländern dieser Welt?

Bischof Ackermann: Dadurch, dass die katholische Kirche weltweit vertreten ist, war es natürlich auch wichtig, einen Blick auf die unterschiedlichen Kulturkreise zu werfen. Wir haben gestern nach Südamerika geschaut, wir haben gestern nach Asien geschaut und ein philippinischer Erzbischof hat von der philippinischen Kultur berichtet, bei der, viel stärker als bei unserer westeuropäischen Kultur, Kommunikation mit Berührung einhergeht. Sich zu umarmen, gerade was Kinder angeht, sie zu küssen. Und auch in der Beziehung zu Priestern. Die Gläubigen berühren den Priester gerne nach der Messe, treten mit ihm sozusagen auch ganz hautnah in Kontakt. Das stellt die Kirche natürlich vor ganz besondere Herausforderungen. Aber deutlich geworden ist auch, und der Herr Bischof hat das mit großer Emotion gesagt, dass in dieser Kultur der Philippinen, in der es Kinderarbeit gibt, Kindersklaverei, Kinderprostitution, Organhandel von Kindern, dass die Kirche da eine ganz wichtige Aufgabe hat. Nicht nur nach innen, sondern gerade dann, wenn sie deutlich macht: Wir machen uns für Kinder stark. Dass das dann auch ein gesellschaftlicher Beitrag ist.  



domradio.de: In einem Bußgottesdienst haben die Bischöfe aus aller Welt in Rom für die Opfer von sexuellem Missbrauch durch katholische Kleriker gebetet. Wie haben sie diesen Gottesdienst erlebt?

Bischof Ackermann: Es war auf der einen Seite ein sehr ernster Gottesdienst und ein sehr schlichter Gottesdienst. Ich meine, es sind über 80 Bischöfe hier vertreten. Kardinal Ouellet, der Präfekt der Bischofskongregation hat der Liturgie vorgestanden. Da war überhaupt nichts von üppiger Liturgie zu spüren, sondern das war sehr, sehr streng und wirklich auch von einem Ernst, der mich sehr berührt hat, zumal ja auch eine Betroffene aus Irland, die vorher in der Aula berichtet hatte, mit beim Gottesdienst war und ein Gebet gesprochen hat. Das war schon sehr bewegend und ist, glaube ich, auch hier so wahrgenommen worden.



domradio.de: Was bedeutet der Kongress gerade für die Opfer?

Bischof Ackermann: Ich glaube, für die Opfer geht von hier nocheinmal ein Signal aus, dass die Kirche sich mit aller Kraft diesem Thema widmet. Noch aktiver als bisher, auch in Gegenden, wo die Thematik noch nicht so angekommen ist. Wenigstens auf der Ebene des Bewusstseins, dass man sich da dem Thema noch stärker stellt. Und dass da auch kirchliche Verantwortung von Seiten derjenigen wahrgenommen wird, die Obere sind, Bischöfe und Ordensobere. Das ist etwas, dass ich in den Gesprächen und in den Wortmeldungen der Betroffenen immer wieder gehört habe, dass sie auch sagen: Wie ist das mit der institutionellen Verantwortung... Nicht nur mit der individuellen Verantwortung des Täters, sondern die der Kirche, der Institution. Ich glaube, dass das jetzt noch stärker in den Blick kommt. Das ist auch für Betroffene ein Zeichen.



domradio.de: Viele rechtliche Maßnahmen gegen Täter wurden inzwischen schon beschlossen. Was muss jetzt systematisch geschehen?

Bischof Ackermann: Natürlich müssen diejenigen, die noch keine Leitlinien auf den Ebenen der Bischofskonferenz erlassen haben, das tun. Dazu hat Rom verpflichtet. Das haben wir in Deutschland schon getan. Wir haben auch gesagt, dass wir nach drei Jahren die Leitlinien evaluieren werden, noch einmal auswerten, möglicherweise nachbessern. Das steht jetzt zum Beispiel auch für uns an. Aber von dem Kongress geht auch die Gründung eines Kinderschutzzentrums aus und eines Lernprogramms, das zu Verfügung gestellt wird, über Internet, um auf breiter Ebene im Bereich des Kinderschutzes zu sensibilisieren und zu schulen. Das sind die ersten Schritte nach vorne, die von diesem römischen Kongress ausgehen.



Das Interview führte Monika Weiß (domradio.de)