Vor dem fünften Integrationsgipfel macht sich Resignation breit

Wenig mehr als ein "schönes Gefühl"

Verbindlicher und messbarer soll Integration werden. So verkündet es die Bundesregierung vor dem nunmehr fünften Integrationsgipfel. Kritikern sind die Vorhaben bei weitem nicht konkret genug.

Autor/in:
Ann Kathrin Sost
 (DR)

Es ist zunächst eine schöne Geste des Respekts: Zum nunmehr fünften Mal lädt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag Vertreter von Migranten, Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft in ihr Haus. Es werden Wege für eine bessere Integration diskutiert, ein Papier mit Maßnahmen verabschiedet. Nach mehr als fünf Jahren hochrangiger Treffen hätte sich mancher jedoch mehr Ergebnisse gewünscht.



"Am Ende völlig unverbindlich"

Der Gipfel drohe, ins Leere zu laufen, sagt die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Aydan Özoguz: "Ich kann nachvollziehen, dass so ein Treffen am Anfang ein schönes Gefühl verursacht, aber man kann das nicht über all die Jahre an gleicher Stelle fahren, ohne wirklich was daraus zu machen." Es gebe keinerlei gesetzgeberische Maßnahmen, kritisiert sie. "Es wird das Signal gegeben, dass Politik am Ende dann doch völlig unverbindlich ist."



Am 14. Juli 2006 trafen sich erstmals Mitglieder der Regierung, der Länder und Kommunen, Gewerkschaften, Wirtschaft, Verbände, Religionsgemeinschaften und Migrantenorganisationen zum Gipfel im Kanzleramt. Frei von Spannungen blieben die Treffen nie: 2007 blieben einige türkische Verbände aus Protest gegen Regelungen im Zuwanderungsrecht fern. 2010 rüttelten die Thesen Thilo Sarrazins und die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Multikulti sei gescheitert, am mühsam aufgebauten Vertrauensverhältnis.



Die Bundesregierung sieht für das anstehende Treffen aus ihrer Sicht durchaus Konkretes vor: Die Vorlage eines "Nationalen Aktionsplans Integration". Nach den Worten von Regierungssprecher Steffen Seibert bedeutet der Plan einen "echten Qualitätsschub" bei der Integration, weil diese verbindlicher gemacht werde.



Ein Ziel: Interkulturell geschulte Pädagogen

Der Plan wurde gemeinsam von allen Beteiligten des Gipfels erarbeitet. Bekannt ist bisher der Teil, in dem die Bundesregierung ihre Maßnahmen für eine bessere Integration nennt: Ein wichtiges Thema ist unter anderem die Erhöhung des Anteils von Migranten in der öffentlichen Verwaltung, die Stärkung interkultureller Kompetenzen von Pädagogen oder auch die Verbesserung der Integrationskurse, deren Anbieter und Lehrkräfte unter strengere Zulassungskriterien fallen sollen.



"Der Aktionsplan ist ein Aktionismusplan", urteilt Memet Kilic knapp, der für die Grünen-Bundestagsfraktion am Gipfel teilnimmt. Es würden lauter wichtige Themen angesprochen, aber es gebe keine konkreten Festlegungen. "Da wird zum Ziel gesetzt, das Interesse am öffentlichen Dienst zu steigern - als wenn es keines gäbe." Wie, wann und mit welchen messbaren Ergebnissen hier etwas erreicht werden solle, bleibe unklar.



Mehr als Auflistungen und Appelle gebe es nicht, sagt auch Özoguz. Das gab es schon beim 2007 beschlossenen "Nationalen Integrationsplan" mit rund 400 Selbstverpflichtungen aller Beteiligten. Der neue "Aktionsplan" sei "eher ein Sammelsurium" aus dem früheren Papier. "Getretener Quark wird breit, nicht stark", zitiert sie frotzelnd Goethe.



Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) urteilt nur etwas milder. Es sei ja klar, dass die Bundesregierung im Aktionsplan ihre eigene Agenda durchsetzen wolle und Kritik außen vor bleibe, sagt der Referatsleiter Migration beim DGB-Bundesvorstand, Volker Roßocha. Insgesamt sieht auch der DGB "eklatante Lücken" im Aktionsplan - darunter das Problem, dass Migranten unverhältnismäßig oft im Niedriglohnsektor arbeiteten und jugendliche Migranten auf dem Ausbildungsmarkt auch bei gleichen Qualifikationen weiterhin benachteiligt würden.



Der Integrationsgipfel in seiner bisherigen Form ist überholt, befinden die drei Kritiker. Roßocha wünscht sich einen "unaufgeregteren Prozess". Der Blick auf das Thema Integration habe sich zu sehr verengt, sagt auch Özoguz: "Wenn jemand hier geboren und in der Schule sozialisiert ist, dann kann es egal sein, ob die Eltern irgendwann einmal eingewandert sind." Sie verweist auf Studien zu Abbrecherquoten und Sprachkenntnissen, nach denen Probleme zunehmend mit der sozialen Herkunft zu tun hätten - und nicht mit der Frage, ob jemand einen Migrationshintergrund habe.



Kilic schließlich rät, nicht allzu sehr auf Ergebnisse des Gipfels zu bauen: "Ich kann den Migranten nur empfehlen, sich trotz allem anzustrengen und nicht zu erwarten, dass die Politik hier Wunder schafft."