Erster Jahrestag der ägyptischen Revolution

Noch stärker in Richtung Demokratie

Die deutsche Regierung fordert zum Jahrestag der Revolution in Ägypten, die Demokratie weiter voranzutreiben. Der ägyptische Militärrat dürfe den Prozess nicht verzögern, mahnte Außenminister Westerwelle (FDP). Am 25. Januar 2011 hatten die Massenproteste in Kairo begonnen, die zum Sturz von Präsident Mubarak geführt hatten.

 (DR)

"Entscheidend bleibt die baldige und vollständige Übergabe der Macht in demokratisch legitimierte Hände", sagte Westerwelle der in Berlin erscheinenden Tageszeitung "Die Welt". "Dafür sind Millionen von Menschen in Kairo und ganz Ägypten auf die Straße gegangen." Zuvor hatte Ägypten angekündigt, den seit 1981 geltenden Ausnahmezustand aufzuheben



"Vereinbarter Fahrplan in Richtung Demokratie"

Zwar sei vor allem die Neukonstituierung des Parlaments ein sichtbares Zeichen, "dass eine neue Ära angebrochen ist. Dennoch ist die Demokratie noch nicht gewonnen", sagte Westerwelle der Zeitung. Es müsse bei dem "vereinbarten Fahrplan in Richtung Demokratie" bleiben. Dies gelte auch für die Präsidentschaftswahlen im Juni.



Westerwelle betonte, dass Deutschland nur auf Grundlage von Demokratie, Meinungsfreiheit und religiöser Toleranz zur Zusammenarbeit bereit sei. Wichtig sei, dass die neuen politischen Kräfte in Kairo sich klar zu Demokratie und Pluralität bekennen.



"Das erwarten wir auch von Parteien, die sich auf den Islam berufen", sagte Westerwelle mit dem Blick auf Muslimbrüder und Salafisten. Der Außenminister kündigte an, in wenigen Tagen erneut nach Kairo und in die Region zu reisen, um den intensiven Austausch mit allen relevanten politischen Akteuren zu suchen.



Gefahr der religiösen Konterrevolution?

Die ägyptische Schriftstellerin und Journalistin Mansura Essedin sieht ein Jahr nach Beginn der Revolution in ihrem Land die Gefahr einer religiösen und militärischen Konterrevolution. Ägypten werde allerdings nie wieder so sein wie vor einem Jahr, es gebe viele Herausforderungen, dies sei in einem revolutionären Prozess aber normal, sagte Essedin am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur.



"Ich glaube, dass alle Angst haben, dass wir es mit einem militärischen und religiösen Faschismus zu tun bekommen könnten, aber es ist trotzdem nicht mehr wie früher, denn alle sind sich dessen bewusst, was sie bewirken können und es gibt kein Zurück", sagte die Autorin. Der Wahlsieg der islamistischen Muslimbrüder sei zwar erwartet worden, das "Problem der Muslimbrüder ist aber, dass sie sehr opportunistisch umgehen, und zwar sowohl mit der Revolution als auch mit den Militärs in Ägypten", sagte Essedin, die an den Protesten auf dem Tahrir-Platz in Kairo teilgenommen hatte und über den Umsturz in Ägypten als Journalistin berichtet.



Über die Rolle des herrschenden Militärs sagte Essedin: "Wir wissen, mit was für einem niederträchtigen System wir es zu tun haben, wir sehen dass die Unterdrückung jetzt sogar zum Teil stärker ausgeübt wird als unter der Zeit von (Präsident Husni) Mubarak, wir wissen, dass wir es mit Mördern zu tun haben, dass in Gefängnissen gefoltert wird", sagte die Schriftstellerin, deren Romane in zahlreiche Sprachen übersetzt sind und die 2010 als eine der besten arabischsprachigen Autoren unter 40 ausgewählt wurde.



Stärkerer Einsatz für Frauenrechte

Die Misshandlung von Frauen, die an den Protesten teilnahmen, sei aus "Rache" geschehen, "dafür, dass sie eine so tragende Rolle in der Revolution hatten", sagte die Autorin. Die Frauen hätten aber nur umso entschlossener für ihre Rechte gekämpft. Sie hätten heute "eine sehr viel sichtbarere Rolle als dies unter dem alten Regime der Fall war."



Auch Amnesty International forderte zum Jahrestag einen stärkeren Einsatz für die Frauenrechte in dem Land. Es drohe die Gefahr, dass diese Rechte vernachlässigt würden, warnte das Brüsseler EU-Büro der Menschenrechtsorganisation. Die EU müsse kontinuierlich dafür sorgen, dass in dieser entscheidenden Phase des demokratischen Übergangs in Ägypten die Frauenrechte den gebührenden Platz erhielten.