Debatte um die Deutungshoheit von Weihnachten

Von Kampagnen, Kirchen und Konzernen

Wie wird Weihnachten gefeiert? Das ist derzeit Gegenstand einer lebhaften Debatte im Internet. Inzwischen unterstützen Zehntausende die Facebook-Gruppe "Weihnachten wird in der Krippe entschieden", eine Aktion gegen den Slogan einer Elektronikkette. Nur ein Beispiel für den Kampf um die Deutungshoheit des christlichen Festes.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

"Weihnachten wird unterm Baum entschieden", heißt es bei Media Markt. Dieser Spruch untergrabe den christlichen Ursprung des Fests, fördere den vorweihnachtlichen Konsumterror und stelle Menschen bloß, die sich solche Geschenke nicht leisten könnten, umschreibt Initiatorin Melanie Zink die Motive ihrer Mitstreiter.



Der Slogan des Ingolstädter Unternehmens hat es unterdessen bis vor den Deutschen Werberat gebracht. Am Donnerstag beschloss das Selbstkontrollgremium der Branche allerdings, auf eine Rüge zu verzichten. Die Kette kann also weiter ohne Beanstandung mit dem Spruch werben. Für Volker Nickel, Sprecher des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), wirft der Vorgang ohnehin eine ganz andere Frage auf. "Warum braucht es überhaupt einen Impuls von außen, damit die Kirchen aufstehen und sagen, was ihnen an Weihnachten wichtig ist?" Schließlich bildeten die Unternehmen mit ihrer Werbung nur das ab, was sie in der Gesellschaft bereits vorfänden. "Sonst funktioniert"s nicht."



"Preiset den Händler"

Anders gewendet: Auch in Zukunft wird es Sprüche der Marke "Wir machen Weihnachten zum Sportsfest" und "Preiset den Händler" geben. Oder Spots mit den Heiligen Drei Königen, die dem Jesuskind in der Krippe Weihrauch, Myrrhe und Gold darbringen und einen vierten Kollegen im Schlepptau haben, der eine Kiste Energy-Drink offeriert. Sollten die Kirchen auf diesen Zug aufspringen und ihrerseits aktiv werden? Warum nicht, findet Kommunikationsdesignerin Eva Jung. Die Geschäftsführerin der Werbeagentur gobasil wünscht sich von den Verantwortlichen mehr Schwung bei der Verbreitung der weihnachtlichen Botschaft. "Da könnten sich die Kirchen ganz selbstbewusst hinstellen und sagen: Das ist unser Fest! Und den Leuten erklären, worum es eigentlich geht."



Immerhin: Auf regionaler Ebene gibt es solche Initiativen. Ein Beispiel findet sich wenige Autominuten von Jungs Büro entfernt, am Rande der Hamburger Speicherstadt. Dort hat die Zentrale der Kampagne "Gib Deinen Zehnten" ihren Sitz. Im Internet und mit lokalen Medienpartnerschaften wollte die von den beiden Kirchen in Hamburg und der Peter Krämer Stiftung getragene Aktion in der Vorweihnachtszeit zum Nachdenken über die alljährliche Materialschlacht unter dem Christbaum anregen. Und stattdessen die Hanseaten unter Verweis auf die Bibelstelle aus dem Alten Testament zu Spenden für Hilfsaktionen und zu ehrenamtlichen Engagement bewegen.



Mit Erfolg, wie eine in diesen Tagen vorgenommene Auswertung der inzwischen abgeschlossenen Initiative zeigt. Laut einer Studie wusste jeder vierte befragte Hamburger etwas mit der Kampagne anzufangen. Als Kernbotschaften blieben unter anderem hängen: "Weihnachten als Fest der Liebe" und die Bedeutung von unentgeltlichem Einsatz für die Gesellschaft. "Das hat sich gelohnt", lautet die Bilanz der Organisatoren.



"Ist das Christkind die Tochter vom Weihnachtsmann?"

Eine positive Resonanz verzeichnen auch die Betreiber der Bonner "Kirchenhütte", einem ökumenischen Stand auf dem zentralen Weihnachtsmarkt der Bundesstadt. Dort können Passanten für einen Euro eine Broschüre mit Wissenswertem rund um das Weihnachtsfest erwerben. "Ist das Christkind die Tochter vom Weihnachtsmann?", lautet der Titel. Auf 59 Seiten finden sich Antworten zu Fragen wie: "Warum gehen an Weihnachten viel mehr Menschen in die Kirche?" oder auch "Seit wann gibt es den Weihnachtsbaum mit Kugeln?"



Die Startauflage von 5.000 Exemplaren ist jetzt schon fast vergriffen. Für die Autoren ein Beweis, dass sich mit einem "Aha-Effekt" durchaus Aufmerksamkeit erzielen lässt. Ob sich derartige Ansätze auch im Rahmen einer großen Werbekampagne nutzen lassen? Gut möglich, findet ZAW-Sprecher Nickel. "Die Glocke ist schließlich nicht das einzige PR-Instrument."