Sacharow-Menschenrechtspreis für arabische Bürgerrechtler

Tunesischer Gemüsehändler schreibt Geschichte

Mohamed Bouazizi bewies, dass nicht nur Staatsführer und Militärchefs Geschichte schreiben. Der Markthändler gehörte zur schweigenden Mehrheit perspektivloser junger Männer. Posthum erhält der Tunesier den Sacharow-Menschenrechtspreis. Vier andere arabische Bürgerrechtler werden ebenfalls ausgezeichnet.

 (DR)

Fast ein Jahr nach seiner Selbstverbrennung wird der Tunesier Mohamed Bouazizi mit dem Sacharow-Menschenrechtspreis des EU-Parlaments gewürdigt. Die europäische Volksvertretung in Straßburg erkannte Bouazizi und vier anderen arabischen Bürgerrechtlern die Auszeichnung zu.  Das Europäische Parlament verleiht den mit 50 000 € dotierten "Preis für die Verteidigung der Menschenrechte" in einer feierlichen Sitzung um den 10. Dezember. An diesem Tag wurde 1948 die Allgemeine Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen unterzeichnet.



Sein Tod war Mitauslöser für wochenlange Proteste

Bouazizi, ein Gemüsehändler, hatte sich Ende 2010 aus Protest gegen die repressiven Behörden angezündet. Sein Tod war Mitauslöser für wochenlange Proteste in Tunesien und schließlich für den Sturz des Diktators Ben Ali.



Er hatte sich schon zuvor über die Drangsalierung durch die Behörden beschwert, doch die Beschlagnahmung seiner Waren und angebliche Schläge durch Offizielle brachten das Fass zum Überlaufen. In tragischer Verzweiflung übergoss er sich vor dem Büro des Stadtverwalters mit Benzin und setzte sich in Flammen. Passanten versuchten die Flammen zu löschen, doch Bouazizi hatte bereits schwerste Verbrennungen erlitten und starb am 4. Januar 2011 an den Folgen seiner Verbrennung.



Beginn des arabischen Frühlings

Um die öffentliche Empörung zu beschwichtigen, besuchte der damalige Präsident Ben Ali den im Koma liegenden Bouazizi im Krankenhaus. Aber die Sympathie für Bouazizi und der Ärger über seinen Tod leiteten die Proteste ein, die später zum Rücktritt Ben Alis führten. Die Aufstände griffen auf andere nordafrikanische und arabische Staaten über und wurden zu dem Phänomen, das heute auch als "arabischer Frühling" bekannt ist.



Der Sacharow-Menschenrechtspreis geht auch an die ägyptische Jugendaktivistin Asmaa Mahfouz und den libyschen Dissidenten Ahmed al-Zubair Ahmed al-Sanusi, der 31 Jahre im Gefängnis verbrachte. Die syrische Rechtsanwältin Razan Zaitouneh und der syrische Karikaturist Ali Farzat werden ebenfalls gewürdigt. Die fünf Bürgerrechtler würden "stellvertretend für alle ausgezeichnet, die in der arabischen Welt und anderswo für Würde, Demokratie und Grundrechte kämpfen", sagte EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek.



Der Sacharow-Preis ist nach dem russischen Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow (1921-1989) benannt. Im vergangenen Jahr ging er an den kubanischen Dissidenten Guillermo Fariñas - der allerdings von der Regierung in Havanna keine Reiseerlaubnis erhielt, um zur Zeremonie nach Frankreich zu kommen.