Neutestamentler Söding über seine Ernennung als Papstberater

Die Masterfrage

Papst Benedikt XVI. hat drei Deutsche zu Beratern des Päpstlichen Rats für die Förderung der Neuevangelisierung ernannt. Einer von ihnen ist der Bochumer Neutestamentler Thomas Söding. Im domradio.de-Interview spricht er über die Masterfrage: Wie funktioniert Mission in säkularisierten Gesellschaften?

 (DR)

domradio.de: Erstmal herzlichen Glückwunsch zur Ernennung, wie teilt einem der Vatikan mit, dass man ab sofort Konsultor für den Papst ist? Bekommt man dann einen Anruf?

Thomas Söding: Ja, man bekommt einen Anruf. Ich war letzte Woche in Rom bei der Theologenkommission. Da passte das ganz gut. Ich konnte gleich vorbeigehen - nicht beim Papst persönlich - aber bei dem Rat.



domradio.de: Die drei Konsultoren des Rates für die Förderung der Neuvangelisierung sollen die Aufgabe von Gutachtern erfüllen. Wissen Sie schon, was von Ihnen erwartet wird?

Thomas Söding: Ja, das wird sich ein bisschen zeigen. Ich denke auch, dass die Aufgaben sehr unterschiedlich sein werden. Ich bin jemand, der von der Universität kommt und der das Neue Testament lehrt. Ich denke, dass von mir in erster Linie auch eine wissenschaftliche Expertise erwartet wird: Was ist eigentlich Neuevangelisierung? Welche ursprünglichen Modelle hat es da gegeben? Während andere Mitglieder unmittelbar  aus ihren Erfahrungen berichten werden.



domradio.de: Dass der Papst den Rat für die Förderung der Neuevangelisierung eingerichtet hat, ist noch gar nicht so lange her. Wie kann der Rat den Glauben in so säkularisierten Gegenden wie Europa denn wieder lebendig machen?

Söding: Ja, das ist in gewisser Weise die Masterfrage. Ich muss erst einmal sagen, dass ich es sehr gut finde, dass man überhaupt das Problem erkannt hat. Denn die bisherigen Instrumentarien, die man im Blick hatte, die reichen offenkundig nicht aus, sozusagen klassische Mission -  was immer klassische Mission gewesen sein mag. Das passt für unsere Region nicht. Katechese ist wahnsinnig wichtig, aber Katechese setzt ja immer schon was voraus,  was eben möglicherweise gegenwärtig fehlt. Und in der Mischung zwischen Selbstbewusstsein und Demut diese Aufgabe anzunehmen und zu erkennen, dass wir es mit sehr säkularisierten Gesellschaften zu tun haben, dass wir da nach neuen Möglichkeiten suchen müssen,  dass wir das bisherige Instrumentarium auf den Prüfstand stellen müssen,  das finde ich ist eigentlich ein sehr guter Ansatz. Nun muss man auch etwas daraus machen.  



domradio.de: Angesichts der Kirchenkrise in Deutschland - wie  groß ist denn die Chance, dass eine Neuevangelisierung, wie sie durch den Rat ermöglich werden soll, wirklich Erfolg hat?

Söding: Ich bin schon optimistisch, dass sich das Evangelium durchsetzen wird. Allerdings muss man sehr realistisch sein, das werden nicht die alten Formen sein, in denen dann der Glaube gelebt werden kann. Ich glaube, dass wir in einer Situation leben, in der die Biographien von Menschen sehr weit auseinander gehen. Der Grad der Persönlichkeit wächst erheblich. Das muss man erst einmal verstehen. Das, würde ich sagen, ist eine der ganz wichtigen Aufgaben, von der ich nur hoffe, dass sie mit Verve angegangen wird, eine ganz nüchterne Bestandsaufnahme zu machen: 1. Warum ist diese Situation so, wie sie ist? 2. Was sind realistische Vorstellungen und Ziele, die man sich in der Situation  sich stecken kann? 3. Was sind die Wege, die man einschlagen kann? Aber wenn ich nicht selbst der Auffassung wäre,  dass das Evangelium  auch für die Menschen, die heute in Westeuropa, die in Nordamerika usw. leben, eine frohe Botschaft wäre, dann hätte ich meinen Beruf verfehlt.



domradio.de: Sie sind bereits Mitglied der internationalen Theologenkommission des Vatikans, jetzt die neue Aufgabe als Konsultor. Wie oft werden Sie sich in Rom aufhalten müssen? Lohnt sich schon ein Zweitwohnsitz?

Söding: Nein, keine Sorge. Ich habe hier an der Ruhr-Universität meine Aufgabe und wenn man da nicht fest verwurzelt wäre und sich voll engagieren würde, da hätte man auch woanders nichts verloren. Was jetzt die Beratung anbelangt, setzt ja wirklich voraus, dass man im eigenen Fach sozusagen halbwegs solide ist und weiter engagiert wird. Das sage ich ganz offen: In Rom Weltkirche kennenzulernen, das ist für einen deutschen Professor nicht schädlich. Das erweitert etwas den Horizont, relativiert die deutsche Position, aber begründet auch ein gewisses Selbstbewusstsein. Also ganz schlecht ist die Situation in Deutschland auch nicht. Wir haben die theologischen Fakultäten, an denen man vernünftig arbeiten kann. Die katholische Kirche hat doch eine ganze Reihe von wirklich interessanten  und wichtigen und engagierten Mitarbeitern in den Institutionen und das interessiert die Weltkirche offensichtlich, sonst hätte man nicht drei Leute aus Deutschland  in diesen Rat berufen.



Das Interview führte Dagmar Peters (domradio.de)