Katholiken kritisieren nach Parteitag die Profillosigkeit ihrer Partei

Von Luftblasen und Beliebigkeit

Martin Lohmann ist wohl einer der schärfsten Kritiker seiner Partei. Und auch nach dem Parteitag von Leipzig stellt der Gründers des "Arbeitskreises Engagierte Katholiken in der CDU" im domradio.de-Interview fest: Die Christdemokraten haben ein Problem.

 (DR)

domradio.de: Heute geht es noch um die Bildungspolitik und ein neues Schulmodell. Da gab es große Kritik, dass die CDU die Hauptschule abschaffen wolle. Die CDU  dementiert das. Was wäre ihrer Meinung nach der eigentliche Kurs der CDU in Sachen Schulpolitik?

Lohmann: Es wäre gut, wenn die CDU begreifen würde, wie wichtig hier Subsidiarität ist, wie wichtig hier Vielfalt ist. Das Bildungssystem löst man in seiner Problematik nicht damit, dass man einfach das Problematische abschafft, sondern man sollte dafür sorgen, dass wir eine starke und anerkannte Hauptschule haben. Wenn die Oberschule, die jetzt empfohlen wird, ein solcher Weg sein soll, und die Länder sollen sich ja in ihrer Kulturhoheit, das Bildungspolitik angeht selbst entscheiden können, könnte das ein Weg sein. Aber auch an dieser Frage zeigt sich mal wieder, dass die CDU in vielen Fragen, wie eben auch in dieser Frage, einfach nicht beständig ist. Und die Leute irritiert sind und sich fragen, wofür steht eigentlich diese Partei?



domradio.de: Gestern hatte sich die CDU mit dem Mindestlohn beschäftigt. Mit großer Mehrheit haben die Delegierten dafür gestimmt, dass sie sich für Lohnuntergrenzen in den Bereichen ohne Tarifvertrag einsetzen wollen. Wie beurteilen sie diesen Kurswechsel der CDU, die ja nun bisher nicht die Verfechterin für einen Mindestlohn war?

Lohmann: In dieser Frage hat die CDU sicherlich dazu gelernt: dass Fragen der Gerechtigkeit eben auch da beantwortet werden sollten, wo sie gestellt werden, nämlich die Frage: Was ist ein gerechter Lohn? Dass man nicht festgelegt hat, wo die Lohnuntergrenzen sind und dass man nicht einen Mindestlohn vorschreibt, hat wieder etwas mit der Solidarität und Subsidiarität zu tun. Insofern ist das sicherlich besser, als das was vor zwei, drei Wochen noch aus der Parteispitze und dem Adenauerhaus zu hören war.



domradio.de: Was hat Ihnen bei diesem Parteitag gefehlt?

Lohmann: Die Beschäftigung mit den wirklich wichtigen Fragen: Warum die CDU an Glaubwürdigkeit verliert? Die CDU hat in den letzten Monaten wieder einmal Zehntausende Mitglieder verloren. Die Menschen wenden sich von der CDU ab. Sie fragen, wie ist die Glaubwürdigkeit von dieser Partei. Und eine Partei, die nicht mehr weiß, was sie für einen Kern hat, die wird auch zukünftig mehr und mehr an Glaubwürdigkeit verlieren. Das ist das Problem. Wenn eine Partei in der nihilistischen Beliebigkeit bleibt und sich dort verfängt, dann ist das gefährlich.



domradio.de: Wo positionieren Sie denn die Partei, wenn Sie das Profil der CDU betrachten?

Lohmann: Das Profil der CDU müsste vom C her gestärkt werden. Und das ist immer noch nicht der Fall. Das scheint man immer noch aufgrund einer oberflächlichen Machtausrichtung auszublenden. Wenn man sich anguckt, wie auf dem Parteitag die Leute einfach hinter Angela Merkel hergelaufen sind und ihr applaudiert haben, ohne Fragen zu stellen, die den Kern der Partei treffen. Ein Parteitag hat vielleicht die Aufgabe, diese Frage zu stellen, aber wir vom Arbeitskreis Engagierter Katholiken sagen: Diese Aufgaben sind gestellt und diese Aufgaben müssen angesprochen werden.



domradio.de: Welche?

Lohmann: Wir erwarten von einer christlichen Partei, dass sie sich explizit und für jeden erkennbar für die christlichen Werte einsetzt, die unseres Erachtens unentbehrlich für unsere Zukunft sind: die Menschenwürde als Grundlage des Menschenrechts auf Leben, das auch den Ungeborenen und Schwerstkranken zukommt, Unantastbarkeit des Lebens von der Zeugung bis zum natürlichen Ende, die daraus resultierende unbedingte Ehrfurcht vor jedem menschlichem Leben, man kann auch sagen, die Heiligkeit des Lebens. Und die Institution der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau sowie die auf der Ehe begründete Familie. Dafür tut diese Partei zu wenig. Aus christlicher Perspektive ist die Familie die Kernzelle der Gesellschaft. Und wenn wir uns in die Mitte der Gesellschaft hineinbegeben, stellen wir fest, dass ganz moderne, junge Menschen genau diese Fragen haben. Die CDU ist im Grunde genommen in einer Modernität der 1980er Jahre angekommen und bleibt darin stecken. Wer nur noch im Nichts beständig ist, wird seine Beständigkeit irgendwann im Nichts finden. Die Menschen suchen nach Nachhaltigkeit gerade in Überzeugungen, das wissen wir aus Gesprächen mit vielen jungen Menschen. Wenn der Verzicht auf ein belastbares Profil modern ist, dann ist die CDU zweifellos eines der modernsten Parteien.



domradio.de: Was erwarten Sie von den Christdemokraten nach diesem Parteitag?

Lohmann: Ich erwarte, dass sie jetzt endlich mal anfangen - und diese Chance haben sie in Leipzig vertan -, sich zu fragen: Wer sind wir eigentlich? Und wofür stehen wir? Auf was können sich die Menschen eigentlich bei uns noch verlassen? Sie haben einige Politikfelder genannt - da gibt es keine Verlässlichkeit mehr. Da gibt es nur ein Wendehalsmanöver nach dem anderen. Und wir wissen nicht mehr, wofür diese Partei steht. Die wichtigsten Wähler sind in den vergangenen Jahren verloren gegangen: das sind die überzeugten Christen. Wenn wir keine Christlich Demokratische Union mehr brauchen, dann muss die CDU den Nachweis liefern, dass wir sie nicht mehr brauchen. Sie scheint ihn im Moment zu liefern. Dann sollte man aber auch die Frage über das C noch mal in den Mittelpunkt der Diskussion stellen und fragen: Gibt es vielleicht doch noch ein Bedürfnis nach einer christlich orientierten Politik, einer Politik aus christlicher Verantwortung? Die CDU liefert diesen Nachweis nicht. Sie macht da nur Luftblasen und verirrt sich im Nirwana des Nichts. Das ist tragisch. Und das wird am Ende der Ära Merkel ein großes Problem für diese Partei sein.



Das Gespräch führte Monika Weiß.