Präses Schneider glättet die Wogen im Ökumenestreit

"Ich denke, dass es nun auch gut ist"

Es sind Empfindlichkeiten vorhanden zwischen den Bischöfen der evangelischen und der katholischen Kirche in Deutschland. Da war sogar vom "Tod der Ökumene" die Rede. Im domradio.de-Interview versucht der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Präses Nikolaus Schneider, die Wogen zu glätten und den Blick auf das Gemeinsame der Konfessionen zu lenken.

 (DR)

domradio.de: Wie haben Sie persönlich die Synode erlebt?

Präses Schneider: Die Synode war ausgesprochen spannend, und sie war diskussionsfreudig. Das war nicht immer so, wie in diesem Jahr. Sie hatte auch neue Formen der Aussprache in kleineren Gesprächsgruppen, die Ausschussarbeit ist etwas verändert worden. Das war eine sehr lebendige, sehr intensive Synode. Ich glaube, sie hat uns gut getan.



domradio.de: Gestern hat die Synode ein Kirchengesetz beschlossen, das ausdrücklich das umstrittene Streikverbot und den Verzicht auf Aussperrungen vorsieht. Heftige Kritik kommt dazu von ver.di-Chef Bsirske, der sagt, das Streikrecht sei ein Menschenrecht. Handeln die christlichen Kirchen also menschenrechtswidrig, oder ist das ein überzogener Vorwurf?

Präses Schneider: Herr Bsirske muss einmal ein bisschen runterkommen, aus zwei Gründen: Erstens, das Streikrecht ist ein Grundrecht. Aber die Kirchen haben ja auch ein Grundrecht, ihre Angelegenheiten selber zu regeln, und dazu gehört das Arbeitsrecht. Zweitens: Herr Bsirske selber hat auch auf Streik verzichtet, sowie die Arbeitgeber auf Aussperrung und zwar in den sogenannten "kirchengemäßen Tarifverträgen", die er in Nordelbien und auch in Berlin abgeschlossen hat. Also, er hat das selber gemacht, worüber er sich uns gegenüber jetzt massiv aufregt und was er uns dann doch sehr propagandistisch und populistisch um die Ohren haut.



domradio.de: Direkt zu Beginn der Synode haben Sie die Begegnung zwischen der Evangelischen Kirche und dem Papst im Augustinerkloster gewürdigt. Aber Sie haben auch gesagt, dass konkrete und ermutigende Anstöße vom Papst für die ökumenisch-theologische Weiterarbeit in den Fragen des Amts- und des Kirchenverständnisses ausgeblieben seien. War der gewählte Ort der Begegnung nicht schon Annäherung genug?

Präses Schneider: Ich habe gesagt, dass es einige Punkte gab, die wir gerne gehört hätten. Nicht im Sinne von materiellen Fortschritten, aber Anstöße, in welche Richtung man denken kann. Wenn man die Texte genauer liest, dann kann man durchaus auch auf theologische Hinweise kommen, das ist aber dann schon die höhere theologische Kunst. Aber der Ort war natürlich stark, und ich habe den Papstbesuch aus einem positiven Blickwinkel wahrgenommen und beschrieben. Es waren sehr positive Dinge, was er zu Martin Luther sagte und zur Reformation, dazu, wie die Kirchen sich gegenseitig stützen sollen auf ihrem Weg durch die Welt. Das habe ich auf der Synode auch gesagt. Bei aller mir nachvollziehbaren, verständlichen kritischen Äußerungen: Wir müssen das Ganze insgesamt wirklich unter einem positiven Blickwinkel betrachten, und das habe ich auf der Synode auch stark gemacht, und dem ist die Synode auch so gefolgt.



domradio.de: Trotzdem hat die Presse danach geschrieben, die Protestanten hätten mit dem Papst abgerechnet. Bischof Müller als zuständiger Ökumene-Bischof auf katholischer Seite hat daraufhin gesagt, es gäbe einen Aufschrei, wenn Katholiken solche Töne über  evangelische Repräsentanten anstimmen würden. Hat die Synode insgesamt die Kritik am Papst übertrieben?

Präses Schneider: Die Presse hat an dieser Stelle überzogen. Es gab natürlich kritische Töne, die gab es auch im Vorfeld von einzelnen Bischöfen. Aber das Umgekehrte hören wir uns ja auch häufiger an. Das gibt es ab und zu mal, aber daraus würde ich jetzt keinen allgemeinen Trend ableiten. Wir sind alle darauf eingestellt, dass unser Weg in die Zukunft weiter ökumenisch ist. Das kann auch gar nicht anders sein.



domradio.de: Trotzdem hat der von Bischof Müller kritisierte Berliner Bischof Dröge noch einmal reagiert. Besteht nicht die Gefahr, dass man sich nun im Kleinklein der persönlichen Auseinandersetzungen verliert?

Präses Schneider: Das will ich nicht hoffen. Ich denke, dass es nun auch gut ist, nachdem die zwei sich mal so ausgetauscht haben. In der Ökumene müssen wir eben auch damit leben, dass es vereinzelt solche Stimmen gibt, aber das ist nicht kennzeichnend für den Weg der beiden Kirchen miteinander.



domradio.de: Welcher Impuls geht denn von der Synode insgesamt aus?

Präses Schneider: Also, die Synode hat einen starken Impuls darauf gesetzt, unseren Glauben den Menschen nahe zu bringen. Das ist ja auch ein ökumenisches Unternehmen. Der Papst selber hat in Erfurt darauf aufmerksam gemacht, dass wir auf Christus konzentriert der Welt begegnen sollen und uns nicht einfach an die Themen der Welt anpassen dürfen. Sondern mit unserem Glauben die Welt gestalten sollen. Und das hat die Synode ganz stark gemacht, wir haben einerseits theologisch noch einmal darüber nachgedacht, und uns darin vergewissert, warum wir missionarisch sein sollen, und wir haben uns klar gemacht, dass das Wort Mission belastet ist durch seine schwierige Geschichte in der Zeit des Kolonialismus, wo Mission auch mit Zwang verbunden war. Das wollen wir auf gar keinen Fall. Die Synode hat ein ganz interessantes Experiment gemacht: Wir haben Menschen eingeladen, die erzählt haben, warum Glaube für sie gar keine Rolle spielt. Worin das biographisch begründet sein soll, wie das in ihrem Alltag aussieht und wie sie das selber persönlich empfinden. Das war ganz spannend und wir haben uns auch noch mal klar gemacht, dass das erste, was passieren muss ist, das Leute interessiert sind und aufmerksam werden. Und dass wir aus diesem Grunde verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass es viele Begegnungs- und Berührungspunkte mit dem Evangelium in dieser Gesellschaft gibt. Damit die Menschen damit konfrontiert werden und für sich darüber nachdenken können, ob unser Weg des Lebens für sie auch der richtige sein kann. Und wenn so ein Interesse geweckt ist und Menschen ins Nachdenken und dann auch ins Fragen kommen, dann hat man einen weiteren Anknüpfungspunkt, der dann eben auch inhaltlich gefüllt werden kann und stärker mit dem zusammen kommt, was man Mission nennen kann.



Das Gespräch führte Mathias Peter.



Hintergrund

Die kritische Würdigung des Papst-Besuches durch die evangelische Kirche hat zu ökumenischen Verstimmungen geführt. Der Ökumene-Beauftragte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Gerhard Ludwig Müller, warf der evangelischen Kirche einen "antikatholischen Tonfall" vor. In einem Zeitungsinterview mit der "Passauer Neuen Presse" (Mittwochsausgabe) sagte der Regensburger Bischof, er sei "sehr betrübt über unqualifizierte und polemische Äußerungen, die es hier und da gibt".



Im Zeitungsinterview übte Müller scharfe Kritik an der unter anderem vom Berliner evangelischen Bischof Markus Dröge geäußerten Behauptung, Papst Benedikt XVI. habe "kein Konzept für die Ökumene".

Der Regensburger Bischof bezeichnete dies als völlig unqualifiziert. "Wenn man das so weiterführen würde, wäre das der Tod der Ökumene", unterstrich er.



Dröge wies die Vorwürfe zurück. Er habe eine wesentlich höhere Meinung von der Ökumene, sagte der Berliner Bischof dem epd am Rande der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Magdeburg. Es sei so viel Vertrauen gewachsen, dass man wie gute Freunde einander offen die Meinung sagen kann und soll, erklärte Dröge: "Das Verschweigen von Problemen hat noch nie geholfen." Die Analysen auf der EKD-Synode seien genau so nüchtern und kritisch gewesen wie seine eigenen Äußerungen nach dem Papstbesuch. "Ich war nur etwas schneller", sagte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.



Bei der EKD-Synode hatte der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider ein durchwachsenes Fazit des Deutschlandbesuches des Papstes im September gezogen. Zwar habe der Papst mit seinem Besuch im Augustinerkloster in Erfurt einen "ganz starken ökumenischen Akzent" gesetzt, sagte Schneider. Zugleich seien brennende Fragen des ökumenischen Dialogs "gar nicht oder nur missverstehend und missverständlich angesprochen" worden.



Bischof Müller erklärte, es wäre absurd, auf evangelischer Seite zu erwarten, dass wir unser sakramentales Kirchenverständnis ankratzen, zu dem auch das Bischofsamt und die Nachfolge Petri im Papst fundamental dazugehören. Er warf Vertretern der evangelischen Kirche vor, "einen Keil" in die katholische Kirche "hineinzutreiben, in dem man Papst und Bischöfe gegen die angebliche Mehrheit der katholischen Kirche ausspielen will".



Zugleich kritisierte Müller scharf die Laienbewegungen innerhalb der katholischen Kirche. Die katholischen Reforminitiativen bezeichnete er als "Extremisten", die nur weitere Spaltung brächten.

"Sektiererische Grüppchen wie "Wir sind Kirche" können ökumenisch nur schaden", sagte Müller.



Nach Ansicht von Müller sei vor dem Papstbesuch ein "heimtückisches Spiel mit hochgesteckten Erwartungen" getrieben worden. Der Papst sollte nicht nur ein ökumenisches Zeichen setzen, sondern "am besten gleich die katholische Kirche "verwässern"", sagte der der Regensburger Bischof und ergänzte: "Ökumenische Theologie kann nicht Fortsetzung der alten Ressentiments und Vorurteile bedeuten." (epd)