Bischöfe kritisieren evangelische Bilanz des Papstbesuchs

Droht der "Tod der Ökumene"?

Der Vorsitzende der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Gerhard Ludwig Müller, hat die ernüchternde ökumenische Bilanz von evangelischer Seite nach dem Papstbesuch kritisiert. Besonders missfällt ihm eine Art von "Polemik des 16. Jahrhunderts". Diese könnte zu einem "der Tod der Ökumene" führen. Auch der Hamburger Weihbischof Jaschke ist enttäuscht.

 (DR)

Offenbar hätten einige wohl erwartet, Benedikt XVI. werde in Erfurt die katholische Kirche teilweise in eine evangelisch-konfessionelle Richtung lenken, sagte der Regensburger Bischof der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch). Das habe mit Ökumene nichts zu tun.



Müller äußerte sich betrübt über vereinzelte "unqualifizierte und polemische Äußerungen". Wer so spreche, müsse damit rechnen, "dass wir Katholiken das sehr ernst nehmen und diesen abschätzigen antikatholischen Tonfall scharf zurückweisen". Wenn die Polemik des 16. Jahrhunderts auf Dauer weitergeführt würde, wäre dies "der Tod der Ökumene". Der Bischof sagte, auf ihn wirke das wie der Versuch, 500 Jahre nach der Reformation nachträglich Recht zu bekommen.



Müller wandte sich gegen die Vorhaltung, der Papst habe Luther nicht ausreichend gewürdigt. Benedikt XVI. habe vielmehr den Punkt herausgegriffen, der auch ökumenisch fruchtbar sei, nämlich Luthers radikale Gottbezogenheit. Der Bischof trat Versuchen entgegen, Papst und Bischöfe "gegen die angebliche Mehrheit der katholischen Bevölkerung" auszuspielen. Wer meine, er könne einen Teil der Katholiken auf seine Seite ziehen oder gar die katholische Kirche protestantisieren, folge dem "Konzept einer deutschen Nationalkirche unter preußisch-protestantischer Führung wie zur Kulturkampfzeit unter Bismarck".



Der Bischof warnte in diesem Zusammenhang vor aus seiner Sicht falschen Verbündeten. Dabei nannte er ausdrücklich "sektiererische Grüppchen wie "Wir sind Kirche"". Skeptisch zeigte er sich außerdem gegenüber dem "Gerede", dass die Christen "an der Basis" in der Ökumene schon weiter seien. "Die Basis sind nicht die Laien und schon gar nicht Leute, die sich als Basis ausgeben", betonte er. Im Grunde genommen handele es sich dabei um nichts anderes als "konfessionellen Relativismus, mit dem man sich über die Lehren des Glaubens hinwegsetzt".



Jaschke zu EKD-Vorwürfen: Vorsicht vor ökumenischen Blockaden

Auch der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke hat sich enttäuscht "über negative Schlagworte und Vorwürfe an die katholische Kirche" durch Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gezeigt. Anklagend auf den Papst zu zeigen, wecke Stimmungen, führe aber zu ökumenischen Blockaden, sagte Jaschke am Dienstag in Hamburg. "Es ist unfair, wenn man dem Papst eine Liste von Forderungen vorlegt und danach den Erfolg des Besuches beurteilt", so Jaschke, der auch Mitglied der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz ist.



"Der Papst ist nicht der Herr der Kirche", betonte der Weihbischof. "Die von uns allen ersehnten guten Wege beim Allerheiligsten der Kirche, bei Eucharistie und Abendmahl, können nicht per Federstrich eröffnet werden. Sie entstehen in einem geistlichen, theologisch begleiteten Prozess." Beide Seiten müssten respektvoll voneinander lernen. Für die katholische Kirche stehe am Ende dann das Wort des Papstes. "Aber jetzt schon müssen und können wir den einzelnen Menschen helfen, damit sie in Ihrer persönlichen Situation gute Lösungen im Geist Christi finden", so Jaschke.



Er rief dazu auf, sich nicht von einer "deutschen Neigung zur Pauschalkritik anstecken" zu lassen. Der Besuch und der Gottesdienst des Papstes in der Lutherstätte Erfurt blieben ein ökumenisches Zeichen ersten Ranges. "Lernen wir, was Einheit der Kirche bedeutet", forderte der Weihbischof. "Abgrenzungen und Beschuldigungen tragen nicht zur Glaubwürdigkeit der Katholiken wie der Protestanten bei."



Bischof Feige: Um Lösungen bemühen

Moderater hatte sich der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige geäußert: Trotz mancher Irritationen, Missverständnisse und Enttäuschungen gelte es, sich weiterhin um verantwortbare Lösungen zu bemühen, sagte er in einem Grußwort zur Eröffnung der EKD-Synode.



Der Papst habe weder die "drängenden Anfragen und Probleme" nivelliert, noch die Fortführung theologischer Dialoge infrage gestellt, sagte Feige. Vielmehr habe er die Gottesfrage in den Mittelpunkt gerückt. Vordringlich sei für Benedikt XVI., "dass wir nicht einem wachsenden Säkularisierungsdruck nachgaben, sondern uns auf einen gemeinsamen christlichen Glauben besinnen", sagte Feige vor dem evangelischen Kirchenparlament.



Zwiespältige Bilanz

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, hatte auf der Synode eine zwiespältige Bilanz des Papstbesuchs gezogen. Während die nichtöffentliche Begegnung im Augustinerkloster in Erfurt von einem "geschwisterlichen Geist" geprägt gewesen sei, sei die anschließende Predigt Benedikt XVI. im Gottesdienst "für viele ökumenisch engagierte Menschen enttäuschend" gewesen, sagte Schneider am Sonntag in Magdeburg in seinem Ratsbericht. Brennende Fragen des ökumenischen Dialogs habe der Papst gar nicht oder nur missverstehend und missverständlich angesprochen.



"Vor allem der Begriff "Gastgeschenk" führte auf beiden Seiten der Ökumene zu Irritationen", erklärte Schneider. "Gastgeschenke" habe niemand erwartet, wohl aber inhaltliche Impulse. "Und dass der Papst in seiner Predigt ein Verständnis der ökumenisch-theologischen Gespräche unterstellte, das sich an Verhandlungen zwischen politischen Vertragsparteien orientiere, geht an der Haltung der reformatorischen Kirchen völlig vorbei", betonte der EKD-Ratsvorsitzende.



Im Blick auf das Reformationsjubiläum 2017 sagte er, die Aufarbeitung der Reformationsgeschichte als "Heilung der Erinnerungen" werde eine neue Aufgabe sein, die "mit unserer römisch-katholischen Schwesterkirche" anzugehen sei. Die über Jahrhunderte durch Schlechtreden, Polemik und Gewalt gekennzeichneten geschichtlichen Prägungen dürften nicht unterschätzt werden. "Ich plädiere dafür, die "Ökumene der Profile"

zu einer "Ökumene der Gaben" fortzuentwickeln, so dass unsere jeweiligen Profile als Ergänzungen und Bereicherungen verstanden werden - und nicht als Abgrenzungen oder Identitätsstärkungen zu Lasten des anderen", so der Ratsvorsitzende.