Präses Göring-Eckart zu Synode und Papstbesuch

"Das ist Herzensökumene"

"Was hindert‘s, dass ich Christ werde?" fragt die 4. Tagung der 11. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. 126 Synodale kommen in Magdeburg zusammen, um "Überlegungen zu einer einladenden Mission" anzustellen. Im domradio.de-Interview spricht die Präses der Synode, Katrin Göring-Eckardt, über die Ökumene und die Ziele der Mission.

 (DR)

domradio.de: Ihr Schwerpunktthema ist die Mission. "Was hindert`s, dass ich Christ werde. Überlegungen zu einer einladenden Mission". Warum dieser Schwerpunkt?

Göring-Eckardt: Weil es viele Menschen gibt, die auf der Suche nach Orientierung, Sinn und mehr Tiefe sind. Wir glauben, dass wir als evangelische Christinnen und Christen auf manche dieser Suchefragen auch Antworten haben. Wir wollen darüber auf der Synode diskutieren, wie wir diese Antworten so formulieren können, dass sie tatsächlich verständlich sind und die Herzen und die Seelen der Menschen erreichen.



domradio.de: Der Eröffnungsgottesdienst wird am Sonntag im Magdeburger Dom gefeiert. Sie bringen am Nachmittag den Bericht des Synodenpräsidiums ein. Um welche Themen wird es Ihnen sonst gehen, was liegt Ihnen noch am Herzen?

Göring-Eckardt: Auf dieser Synode gibt es eine ganze Reihe von Schwerpunktthemen neben dem Missionsthema. Uns liegt auch das Thema Arbeitsrecht am Herzen, die Anerkennung des kirchlichen Arbeitsrechtes, des Streikrechts, etc. Darüber wollen wir diskutieren, wir werden einen Gesetzesentwurf haben und wir werden darüber reden, wie wir in Zukunft mit dem sogenannten Dritten Weg, der uns unterscheidet von anderen Arbeitgebern, umgehen. Das muss ein Weg sein, der den Beschäftigten tatsächlich gerecht wird. Ökumene ist ein weiteres Thema, auch im Nachgang des Papstbesuches, aber vor allem mit Blick auf das Jahr 2017, wenn wir das große Reformationsjubiläum feiern.



domradio.de: Vor gut einem Monat war der Papst in Deutschland und die Ökumene stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Wie ist Ihre Bilanz ausgefallen?

Göring-Eckardt: Man muss klar und deutlich sagen: Das waren gute Gespräche auf Augenhöhe. Enttäuscht waren sicherlich viele römisch-katholische Geschwister, die sich mehr in Richtung eindeutiger Verabredungen in Bezug auf die Ökumene erwartet hatten. Man muss aber auch sagen, dass sich Einladungen, gemeinsam auf das Jahr 2017 zuzugehen, nicht ausgeschlagen worden sind und das der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz deutlich gemacht hat, er habe den Schlüssel dafür jetzt in der Hand. Das zeigt mir, dass wir in der Ökumene weiterkommen. Allerdings, dass sage ich auch ganz deutlich: Unsere ökumenischen Bestrebungen gehen in erster Linie von uns aus. Das ist Herzensökumene, die wollen wir gerne, und die machen wir nicht abhängig davon, was der Papst uns wann sagt. Die ist uns so wichtig, dass wir sie weitertreiben werden. Aber man muss auch ausdrücklich sagen, es ist nichts abgeschlagen worden, und es sind alle Themen angesprochen worden. An keiner Stelle hat der Papst gesagt: Darüber können wir auf keinen Fall sprechen. Das halte ich für ein positives Zeichen.



domradio.de: Sie feiern gleichzeitig auch das 20-jährige Jubiläum des Zusammenschlusses der EKD und des Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR. Welche Bedeutung hat dieses Jubiläum für die evangelische Kirche?

Göring-Eckardt: Das hat eine ganz große Bedeutung, zumal wir ja in Magdeburg sein werden um daran zu erinnern, was damals die Themen waren und wie viel Einheit wir damals wollten, wo auch Dinge offen geblieben sind, das wird sicher sehr spannend werden. Und das nicht nur in der Rückschau, wir legen Wert darauf, dass wir das tatsächlich auch in der Vorausschau betrachten, auch mit den evangelischen Bünden, die ja nach wie vor existieren. Es wird auch die Frage eine Rolle spielen an diesem Abend., wie viel Zusammenarbeit wir eigentlich tatsächlich haben in der EDK. Und ich freue mich sehr darauf, dass wir Menschen gewonnen haben, die von damals erzählen können aber eben auch nach heute blicken.



domradio.de: Wie weit sind Sie denn nach der Wende gekommen?

Göring-Eckardt: Ein zentrales Thema war z.B., ob wir eigentlich Militärseelsorge wollen. Da haben die Kirchen in der DDR gesagt: Wir haben uns immer gegen eine so enge Anbindung an den Staat zu gewehrt. Das ist heute ein sehr, sehr viel kleineres Thema jedenfalls und kein Streitthema mehr. Heute geht es darum, wie einheitlich wir eigentlich evangelisch handeln können, wo wir aber Eigenständigkeit brauchen und wollen. Das ist so ähnlich, wie mit dem Föderalismus auf Staatsebene, das muss natürlich immer wieder austariert werden.



domradio.de: Was erhoffen Sie sich als Ergebnis?

Göring-Eckart: Ich erhoffe mir sehr, dass wir einen missionarischen Impuls bekommen werden, der uns selbst ermächtigt und auch viele andere, hinauszugehen und über das zu reden, was uns besonders wichtig ist und was unserer gläubiges Herz umtreibt. Ich erhoffe mir, dass wir einen großen Anstoß geben beim Thema kirchliches Arbeitsrecht. Wir wollen gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, aber auch für die Menschen in den Krankenhäusern, Kitas und Altenheimen: Dass die merken, dass es etwas anderes ist, wenn man in diakonischen und kirchlichen Einrichtungen betreut und gefördert wird. Und ich erhoffe mir eine intensive und lebendige Diskussion.



Das Interview führte Monika Weiß.



Hintergrund

Katrin Dagmar Göring-Eckardt, geb. Eckardt (* 3. Mai 1966 in Friedrichroda, Kreis Gotha, DDR) ist eine deutsche Politikerin (Bündnis 90/Die Grünen) und seit 2005 Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Seit 2009 ist sie Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und damit zugleich Mitglied im Rat der EKD.



Es ist eines der Schlüsselthemen von Kirche, dem sich die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei ihrer diesjährigen Tagung vom 6. bis 9. November in Magdeburg zuwendet. "Was hindert"s, dass ich Christ werde?" lautet das Bibelwort unter dem die 126 Kirchenparlamentarier das Schwerpunktthema Mission beraten wollen. Seit der viel gelobten Leipziger Missionssynode 1999, auf der sich die Protestanten unter dem Motto "Reden von Gott in der Welt" ihres missionarischen Auftrages vergewisserten, gewinnt das Thema Mission in der evangelischen Kirche an Gewicht.



Kirchensoziologische Studien wurden in Auftrag gegeben. Mit dem Reformprozess "Kirche im Aufbruch" entstand an den Standorten Dortmund, Greifswald und Stuttgart ein "Zentrum Mission in der Region". Das neue Projekt "Erwachsen Glauben" richtet sich besonders an Kirchenferne. Im Rahmen der Luther-Dekade geht am Reformationstag das "Jahr der Taufe" zu Ende, das an zahlreichen Orten Anstoß zu innovativen missionarischen Aktivitäten gab.

"Es braucht eine Antwort des Glaubens, die auf die tiefen Verlusterfahrungen und Ängste zu antworten weiß", skizzierte der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider die zentrale Aufgabe von Mission. Schneider widersprach zugleich der Sorge, dass eine missionarische Kirche sich aus der Weltverantwortung zurückzieht: "Ein missionarische Kirche scheut nicht davor zurück, sich für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung zu engagieren, und sie hat einen langen Atem."



Traditionsgemäß wird der Ratsvorsitzende zum Synodenauftakt in seinem Ratsbericht einen Rück- und Ausblick auf die gesellschaftspolitischen Herausforderungen und kirchenpolitischen Entwicklungen geben. Dabei dürfte die Nachlese zur ökumenischen Begegnung mit Papst Benedikt XVI. im September im Erfurter Augustinerkloster eine prominente Rolle spielen. Bei dem Treffen der EKD-Delegation mit Benedikt hatte Schneider im Blick auf das Reformationsjubiläum 2017 dafür geworben, die Erinnerungen an die gegenseitigen Verletzungen aus der Reformationszeit und der darauf folgenden Kirchengeschichte zu heilen und nach Wegen der Aussöhnung zu suchen.



Bei der Vollversammlung der katholischen Bischofe machte Erzbischof Robert Zollitsch Anfang Oktober klar, dass es nun Aufgabe der beiden Kirchen in Deutschland sei, in den regelmäßigen Kontaktgesprächen konkrete ökumenische Ziele zu vereinbaren, insbesondere mit Blick auf den 500. Jahrestag der Reformation 2017. "Der Papst hat sich in Erfurt auf den Reformator Luther zubewegt und ihn anerkannt", sagte Zollitsch. Für die evangelische Kirche dürfte es bei diesen Gesprächen ein Anliegen sein, eine Balance zwischen konfessioneller Identitätsvergewisserung und ökumenischer Offenheit zu finden.



Das näher rückende Reformationsjubiläum schiebt sich immer mehr als "Megathema" auf die Tagesordnung der EKD. Für erste Planungen wurden Umrisse bereits abgesteckt. Mit der Berufung der früheren hannoverschen Landesbischöfin Margot Käßmann zur Lutherbotschafterin wurde dabei ein Akzent gesetzt. Die frühere EKD-Ratsvorsitzende soll ab Frühjahr 2012 mit ihrer Popularität die Menschen auf das Großereignis neugierig machen und internationale Kontakte knüpfen.



Der Generationswechsel in der evangelischen Kirche ging 2011 weiter: In der wichtigen bayerischen Landeskirche folgt auf Johannes Friedrich im Bischofsamt mit Heinrich Bedford-Strohm ein sozialethisch profilierter Theologieprofessor, der dem ehemaligen Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber nahesteht. Neue Bischöfin im nordelbischen Sprengel Hamburg und Lübeck wird Mitte November Kirsten Fehrs. Die Hamburger Pröpstin und Hauptpastorin von St. Jacobi folgt auf Maria Jepsen, die im vergangenen Jahr zurückgetreten war.



Auch in der Evangelische Kirche von Westfalen übernimmt aller Voraussicht nach ein Frau das Amt des Leitenden Geistlichen. Für die Nachfolge von Präses Alfred Buß, der im März 2012 in Ruhestand geht, kandidieren die Siegener Superintendentin Annette Kurschus und die leitende Pfarrerin der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen, Angelika Weigt-Blätgen. Die Wahl steht für November an. (epd)