Bundestag will Kinder besser vor Vernachlässigung schützen

Vernetzung als Prävention

Der Bundestag hat einen besseren Schutz von Kindern vor Missbrauch und Vernachlässigung beschlossen. Dies soll durch eine Vernetzung der zuständigen Stellen und den Einsatz von Familienhebammen geschehen. Dazu verabschiedete das Parlament mit den Stimmen der Regierungskoalition bei Enthaltung der Fraktionen von SPD, Grünen und Die Linke ein Bundeskinderschutzgesetz.

 (DR)

Einige Bundesländer kritisieren allerdings die Finanzierung. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) sprach von einem "Meilenstein" für den Schutz von Kindern. Die Regelung fand inhaltlich fraktionsübergreifend Zustimmung. Unterschiedliche Meinungen gab es allerdings über die Finanzierung der Familienhebammen. Ferner kritisierte die Opposition, dass das Gesundheitsministerium nicht einbezogen worden sei.



Mit ihrem Gesetzentwurf reagiert die Bundesregierung auf eine steigende Zahl bekanntgewordener Fälle von Vernachlässigungen sowie auf Ergebnisse der Runden Tische gegen sexuelle Gewalt und zur Heimerziehung. Schröder erinnerte an tragische Todesfälle wie bei den Kleinkindern Jessica, Kevin und Lea-Sophie. Sie hatten bundesweit für Erschütterung sorgten.



Die Regierung setzt nun auf örtliche Netzwerke sowie frühe Hilfen während der Schwangerschaft und der ersten Erziehungsjahre. Dazu sollen eigens ausgebildete Hebammen Familien in Schwierigkeiten begleiten. Zudem sollen hauptamtliche Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe generell ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Bei ehrenamtlichen Mitarbeitern müssen die Träger hierüber entscheiden.



Verbessert werden soll auch die Zusammenarbeit der Jugendämter. Zieht eine Familie um, werden auch die Akten an das neue Jugendamt weitergereicht. Bisher hatten sich auffällige Familien oft durch das sogenannte Jugendamt-Hopping dem Zugriff der Behörden entzogen. Schließlich sollen Berufsgeheimnisträger wie Ärzte bundeseinheitlich Rechtssicherheit bei der Weitergabe von Informationen erhalten.



120 Millionen Euro für Familienhebammen

Für die Familienhebammen stellt der Bund für die kommenden vier Jahre 120 Millionen Euro bereit. Dann könne über eine Verstetigung gesprochen werden, sagte Schröder. Sie appellierte eindringlich an die Länder, dem Gesetz zuzustimmen. Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern haben allerdings angekündigt, den Vermittlungsausschuss anzurufen, wenn nicht nachgebessert werde.

Länder und Kommunen fürchten die Kosten später allein tragen zu müssen.



Die Vorsitzende des Bundestagsfamilienausschusses, Sibylle Laurischk (FDP), sprach von einer "neuen, vernetzten Vorgehensweise" zum Schutz der Kinder. Dorothee Bär (CSU) betonte, dass die Regelung den Schutz wesentlich erhöhe. Es könne aber keine absolute Sicherheit geben. Die FDP-Familienpolitikerin Miriam Gruß hob den Präventionscharakter der Regelung hervor.



Die SPD-Familienpolitikerin Marlene Rupprecht forderte eine Kostenübernahme für die Familienhebammen auf ein halbes Jahr durch den Gesundheitssektor. Caren Marks (SPD) verwies auf den Kostendruck von Ländern und Kommunen und warf dem Gesundheitsministerium vor, sich "weggeduckt" zu haben. Die SPD forderte in einem eigenen Antrag ein bundeseinheitliches Präventionsgesetz, das alle Akteure an einen Tisch holt.



Einen Rechtsanspruch auf umfassende Beratung verlangte die Grünen-Familienpolitikerin Ekin Deligöz. Auch sie beklagte eine fehlende Einbindung des Gesundheitsministeriums sowie eine unzureichende Kostenabschätzung. Die Familienexpertin der Linksfraktion, Diana Golze, sprach sich für eine Regelfinanzierung der Hebammen durch den Bund aus und forderte eine stärkere Berücksichtigung der sozialen Lage der Kinder.