Vorschläge des Vatikan zu einer Reform der Finanzmärkte

"Den Primat der Politik wiederentdecken"

Der Vatikan hat am Montag Reformvorschläge für das globale Finanz- und Währungssystem vorgestellt. In dem rund 40-seitigen Schreiben mit dem Titel "Für eine Reform des internationalen Finanz- und Währungssystems im Hinblick auf eine öffentliche Autorität von universaler Kompetenz" spricht sich der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden unter anderem für die Schaffung einer Weltzentralbank aus. Die Katholische Nachrichen-Agentur (KNA) dokumentiert Auszüge des Schreibens in eigener Übersetzung.

 (DR)

Im Hintergrund zeichnet sich für die Zukunft die Notwendigkeit eines Organismus ab, der die Funktionen einer Art "Weltzentralbank" erfüllt, die den Fluss und das System des Währungstauschs nach dem Vorbild der nationalen Zentralbanken regelt. Es bedarf einer Wiederentdeckung der Logik der Nachhaltigkeit, des Friedens, der Koordination und des gemeinsamen Wohlstandes, das an die Abkommen von Bretton Woods anknüpft, um angemessene Antworten auf die gegenwärtigen Fragen zu erhalten. Auf regionaler Ebene könnte dieser Prozess mit einer Stärkung der schon bestehenden Institutionen, wie zum Beispiel der europäischen Zentralbank, in Gang gesetzt werden.



Dies würde dennoch nicht nur Überlegungen auf wirtschaftlicher und finanzieller Ebene erfordern, sondern auch und vor allem auf politischer Ebene im Hinblick auf die Errichtung von entsprechenden öffentlichen Institutionen, die eine Einheitlichkeit und den Einklang gemeinsamer Entscheidungen garantieren. Diese Maßnahmen müssten als einer der ersten Schritte mit Blick auf eine öffentliche Autorität von universaler Kompetenz geplant werden. (...)



In diesem Prozess gilt es den Primat des Geistes und der Ethik, und mit diesen den Primat der Politik - die für das Gemeinwohl verantwortlich ist - über Wirtschaft und Finanzen wiederzuerlangen. Es ist notwendig, diese letztgenannten wieder in die Grenzen ihrer ursprünglichen Bedeutung und Funktionen zurückzuführen, einschließlich ihrer sozialen Funktion, unter Berücksichtigung ihrer klaren Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. (...)



Auf der Grundlage einer solchen ethischen Herangehensweise scheint es also angemessen, zum Beispiel über Folgendes nachzudenken:



a) über Maßnahmen der Besteuerung finanzieller Transaktionen, durch gerechte Gegenleistungen, aber mit Belastungen, die der Komplexität der Geschäfte angemessen sind, vor allem jener Geschäfte, die im "zweiten Markt" stattfinden. Eine solche Besteuerung könnte sehr nützlich sein, um die globale und nachhaltige Entwicklung nach den Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität zu fördern; und sie könnte zur Bildung einer globalen Reserve beitragen, um die Wirtschaft der von der Krise betroffenen Länder und die Sanierung ihrer Währungs- und Finanzsysteme zu unterstützen;



b) über Formen der Rekapitalisierung von Banken auch mit öffentlichen Fonds, die eine Unterstützung spekulativen Verhaltens eingrenzen und auf die Entwicklung der realen Wirtschaft zielen;



c) über die Definition des normalen Kreditgeschäftes sowie des Investmentbankings. Eine solche Unterscheidung würde eine wirksamere Disziplinierung der "Schattenmärkte" erlauben, die ohne jede Kontrolle und ohne Grenzen sind. (...)



In einer Welt der schnell voranschreitenden Globalisierung wird der Bezug auf eine Weltautorität zur einzigen Perspektive, die den neuen Gegebenheiten unserer Zeit sowie den Bedürfnissen der Menschheit entspricht.