Die Kirchen blicken mit Skepsis auf das Berliner Wahlergebnis

"So etwas habe ich noch nicht erlebt"

Die Berliner Abgeordnetenhauswahl überrascht viele, auch die Kirchen. Der Leiter des katholischen Büros in Berlin erklärt den Schiffbruch der FDP im domradio.de-Interview für beispiellos - und sorgt sich wegen des Piraten-Triumphs.

Autor/in:
Michael Borgers
 (DR)

Was die Piratenpartei teilweise fordere, so Prälat Karl Jüsten am Montagmorgen (19.09.2011) im Gespräch mit domradio.de, sei "ziemlich abstrus". Vor allen Dingen mache den Kirchen die "radikal-anti-kirchliche Haltung Sorge, die auf einigen Wahlplakaten zum Ausdruck gebracht wurde". Hier müsse man genau schauen, "ob diese Partei nur eine Protestpartei ist oder eine Partei, die eine wirkliche Basis hat". Seit 2000 ist Jüsten Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe in Berlin. In dieser Woche kümmert er sich bei domradio.de jeden Morgen um 8 Uhr um die Auslegung des Tagesevangeliums.



Die Piratenpartei errang erstmals Mandate auf Landesebene, sie schaffte auf Anhieb 8,9 Prozent der Stimmen. Der Erfolg mache ihm zwar keine Sorgen, sagte ebenfalls im domradio.de-Interview der Leiter des Katholischen Büros Berlin/Brandenburg, Monsignore Tobias Przytarski: "Auch wenn sie in ihrem Parteiprogramm unter dem Stichwort Religion privatisieren natürlich Dinge haben, die für die Kirchen schwierig sind und wo wir vielleicht auch ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten müssen."



Das Ergebnis zeige vor allem, "dass es doch einen großen Bevölkerungsanteil gibt, der mit den bisherigen Methoden der Politik nicht mehr viel anfangen kann, der sich auch eine neue Form der politischen Beteiligung wünscht". Man müsse schauen, wie sich die Piratenpartei jetzt entwickelte, so  Przytarski. In Vielem sei ihr Anfang mit dem der Grünen vergleichbar.



FDP mit Status einer "Splitterpartei"



Mit dem Ergebnis der FDP hatten beide Vertreter der katholischen Kirche nicht gerechnet. Eine derartige "Erdrutschniederlage", dass eine Partei "so abgestraft" werde, habe er innerhalb seiner Zeit in Berlin noch nicht erlebt, so Prälat Jüsten. Die FDP scheiterte mit kläglichen 1,8 Prozent klar an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Liberalen landeten damit noch hinter der rechtsextremen NPD, für die 2,1 Prozent errechnet wurden. 2006 hatte die FDP noch 7,6 Prozent erzielt. Dass die FDP nun "praktisch den Status einer Splitterpartei habe", so Monsignore Przytarski, sei für ihn "schon eine große Überraschung gewesen".



Auch nach dem Aus für Rot-Rot blieb die SPD auf Regierungskurs und könnte die Grünen oder die CDU auf die Brücke holen. Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kam die SPD auf 28,3 Prozent (2006: 30,8), die CDU erreichte 23,4 Prozent, zwei Punkte mehr als vor fünf Jahren. Für die Grünen stimmten 17,6 Prozent der Berliner, 2006 waren es 13,1 Prozent. Die Linke kam auf 11,7 Prozent (2006: 13,4).