Papstbotschafter sieht Proteste gelassen

"Man wirft Steine nur gegen Bäume, die Früchte tragen"

Einen Monat vor dem ersten offiziellen Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI. äußert sich der Apostolische Nuntius in Berlin, Erzbischof Jean-Claude Perisset, zuversichtlich über die Lage der katholischen Kirche. Zugleich verteidigt er die geplante Rede des Papstes im Bundestag.

 (DR)

KNA: Herr Nuntius, nach dem Weltjugendtag in Köln 2005 und dem Heimatbesuch in Bayern 2006 kommt Benedikt XVI. nun zum ersten offiziellen Besuch nach Deutschland. Was bedeutet das?

Perisset: Die Bezeichnung "offizieller Besuch" hat mit den diplomatischen Beziehungen zu tun. Deutschland unterhält wie 179 andere Staaten mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche, also mit dem Heiligen Stuhl, solche Beziehungen. Der offizielle Charakter kommt dadurch zum Ausdruck, dass der Papst als Oberhaupt der Weltkirche den Bundespräsidenten, Bundestag und Bundesrat, die Bundesregierung und das Bundesverfassungsgericht besucht - also alle höchsten Organe des Staates.



KNA: Dennoch gibt es politische Stimmen, die seinen Auftritt im Bundestag kritisieren, weil er als Kirchenoberhaupt nicht vor diesem Forum sprechen dürfe.

Perisset: Dazu muss man zwei Dinge wissen: Erstens war es der Deutsche Bundestag, der den Papst eingeladen hat, er hat sich nicht aufgedrängt. Zweitens bestehen die diplomatischen Beziehungen der Bundesrepublik nicht mit dem Vatikanstaat, sondern mit dem Heiligen Stuhl, also dem Leitungsorgan der weltweiten katholischen Kirche. Dieser Sonderstatus ist ein Geschenk der Geschichte, und er gibt dem Papst die einmalige Möglichkeit, ein bestimmtes Erbe von Werten auch auf der Ebene der Staaten und der internationalen Organisationen zu vertreten. Wenn andere religiöse Oberhäupter auch diplomatische Beziehungen mit den Staaten hätten, dann hätten sie diese Möglichkeit auch.



KNA: Sind Sie beunruhigt wegen der angekündigten Protestdemonstrationen?

Perisset: Die Leute haben ein Recht, zu demonstrieren, deswegen bin ich gegen ein Verbot. Aber was ich mir wünsche, ist, dass sie nicht die religiösen Werte anderer beschimpfen, sondern respektieren, dass die katholische Kirche etwas anderes glaubt und für richtig hält als sie das tun. Insofern verlangen wir genau den gleichen Respekt, den man für jedes andere religiöse oder politische Oberhaupt aufbringt. Nicht umsonst ist es international üblich, dass ein gastgebendes Land Beschimpfungen, Behinderungen und Respektlosigkeiten gegenüber einem fremden Staatsoberhaupt genauso streng ahndet wie Beschimpfungen des eigenen Staatsoberhauptes.



KNA: Als Sie nach Deutschland kamen, haben Sie davon gesprochen, dass die Kirche in Deutschland lebendig sei. Sehen Sie das nach den jüngsten Krisen immer noch so?

Perisset: Auf jeden Fall. Die Debatten nach der Williamson-Affäre und nach dem Missbrauchsskandal, und auch jetzt die Debatte um den Dialogprozess in der Kirche zeigen, wie lebendig die Kirche ist. Auch die Kritik an der Kirche ist ein positives Zeichen. In meiner französischen Muttersprache gibt es ein Sprichwort: Man wirft Steine nur gegen Bäume, die Früchte tragen. Genau so ist das mit der Kirche. Nur weil sie lebendig ist und etwas hervorbringt, zieht sie Kritik auf sich. Die Gesellschaft spürt bei aller Kritik, wie wichtig die Kirche für sie ist.



KNA: Wie gut kennt eigentlich der Papst die Entwicklung der Kirche in Deutschland?

Perisset: Er ist sehr viel besser informiert, als manche denken. Neben den Berichten der Nuntiatur hat er viele persönliche Kontakte. Dazu gehören auch die Bischöfe, die ihn besuchen, und noch weitere Informationsquellen, auch deutsche Zeitungen und viele Gespräche.



KNA: Hat Sie die hohe Zahl der Anmeldungen für die Papstmesse in Berlin überrascht, für die sogar das Olympiastadion zu klein werden könnte?

Perisset: Ich habe schon immer mit einer sehr großen Menge gerechnet. Dass so viele Katholiken auch aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland zur Papstmesse nach Berlin kommen, ist ein positives Signal für Deutschlands Einheit. Es zeigt, dass Berlin keine heidnische Stadt ist, wie manche sagen, sondern dass die Kirche in der Hauptstadt ist, und dass die kirchliche Präsenz in Berlin angenommen wird.



KNA: Nach Berlin besucht der Papst Erfurt und Freiburg. Was sind dort die Schwerpunkte?

Perisset: Dieses Reiseprogramm zeigt, dass er das ganze, vereinte Deutschland besucht. Also die Hauptstadt, dann ein Bistum in der ehemaligen DDR und schließlich weit im Westen Freiburg. Im Bistum Erfurt hat die katholische Kirche auch in der Diktatur ihren Glauben bewahrt, dort war das einzige Priesterseminar, und das hat bereits Professor Ratzinger zur DDR-Zeit besucht. In Erfurt und im Eichsfeld will er den Katholiken, die treu zur Kirche gehalten haben, Danke sagen und Mut machen. Besonders zu betonen ist auch das Zusammentreffen mit der Evangelischen Kirche, gerade im Augustinerkloster zu Erfurt, wo Luther als Mönch lebte. Darf man diesen Besuch des Papstes nicht als ein Hoffnungszeichen für eine baldige Versöhnung der Kirchen im Abendland betrachten? Hoffnung ist ja eine göttliche Tugend!



KNA: Und in Freiburg, wo er neben dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz auch den ersten grünen Oberbürgermeister und den ersten grünen Ministerpräsidenten der Republik trifft?

Perisset: Als Gott die Welt schuf, waren bereits alle Farben darin. Es ist ähnlich wie mit einem Regenbogen. Ob Rot oder Gelb oder Grün, das ist nicht wichtig für die Kirche. Es geht uns nicht um die Parteien, es geht um die Werte und die Verkündigung des Glaubens. Und Katholiken gibt es auch bei den Grünen.



KNA: Was ist das wichtigste Anliegen von Papst Benedikt bei seiner Reise?

Perisset: Er will der Kirche in Deutschland Hoffnung und Kraft geben für die Neu-Evangelisierung. Die Kirche muss die Botschaft von Christus verkünden, ganz ohne Zwang, als Angebot. Ob die Menschen zuhören und antworten, ist ihre Sache. Aber der Papst wird der Kirche Mut machen, diese Aufgabe zu erfüllen. Und ich bin zuversichtlich, dass ihm das gelingt, denn er hat gute Mitarbeiter hier und in Rom, außerdem hilft ihm der Heilige Geist. Und er spricht in Deutschland in seiner Muttersprache, er braucht also keinen Dolmetscher, um sich verständlich zu machen.



Das Gespräch führten Ludwig Ring-Eifel und Albert Steuer.