Kirche sollte laut Moraltheologe Schockenhoff auf Geschiedene zugehen

"Chancen zur Versöhnung?"

Für eine neue Kultur des Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen in der katholischen Kirche plädiert der Freiburger Theologe Eberhard Schockenhoff. In seinem neuen Buch "Chancen zur Versöhnung?" spricht sich Schockenhoff unter anderem für eine Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten "unter erreichbaren Bedingungen" aus.

Autor/in:
Michael Jacquemain
 (DR)

Schockenhoff spricht von "einer dreifachen Hilfestellung" seitens der der Kirche aus, "Indem sie erstens die kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahren beschleunigt, zweitens wiederverheiratete Geschiedene unter erreichbaren Bedingungen zu den Sakramenten zulässt und drittens eine zivile Zweitehe als einen verantwortlichen Ausweg aus der durch den Bruch der ersten Ehe entstandenen lebensgeschichtlichen Sackgasse duldet".



Kirche müsse vielmehr auf diese Menschen zugehen

Die wachsende Zahl Geschiedener darf nach seiner Ansicht nicht ins Abseits gedrängt werden, die Kirche müsse vielmehr auf diese Menschen zugehen. Deren Ausschluss von den Sakramenten werde als "Relikt eines moralischen Rigorismus verstanden", der den Anspruch des Evangeliums als einer befreienden und trostvollen Botschaft verdunkele. Bei Betroffenen herrsche die Wahrnehmung vor, die Kirche habe an ihnen kein Interesse mehr.



Positiv bewertet Schockenhoff Annullierungsverfahren: Sie hätten einen anderen Ansatz als staatliche Scheidungen, in denen es nur um die Zerrüttung einer Beziehung gehe. Die Kirche prüfe, ob bei der ersten Eheschließung alle Voraussetzungen für die Gültigkeit des Sakraments gegeben waren. Der Ausgang des Prozesses könne "einen wahrheitsgemäßen Blick auf die eigene Lebensgeschichte ermöglichen". Sich einen Irrtum einzugestehen, könne bitter, aber auch klärend sein.



Seelsorge im Blick

Während einer Trennung erleben nach Einschätzung Schockenhoffs nur wenige die Kirche als Hilfe - obwohl sie auf Verständnis stoßen sollten. Auch wenn eine erste Ehe und mögliche Schuld am Scheitern nicht ausgeklammert werden dürften, müsse es das Ziel von Seelsorgern sein, die Betroffenen "aus der Fixierung auf die Vergangenheit zu lösen und einen gangbaren Weg für die Zukunft zu suchen".



Wiederverheiratete müssten zum eigenverantwortlichen Gewissensurteil ermuntert werden, ob sie zur Eucharistie gehen wollten. Eine "amtliche Zulassung" sei nicht erforderlich. Wenn nach dem Zerbrechen der Ehe ein Mann oder eine Frau als Zeichen der Reue längere Zeit nicht die Kommunion empfangen habe, könne es sinnvoll sein, den Abschluss dieser Phase zu markieren. Dafür empfiehlt der Moraltheologe eine Form aus der Frühzeit der Kirche, die "sakramentale Rekonziliation". Scheidungsgottesdienste könne es indes nicht geben, weil das Zerbrechen einer Ehe kein Grund zum Feiern sein könne.



Segensfeiern für wiederverheiratete Paare

Vorstellen kann sich Schockenhoff aber Segensfeiern für wiederverheiratete Paare mit einem "eigenständigen Profil". Hier gehe es um positive Werte wie Liebe, Treue und gegebenenfalls um geborene oder noch erhoffte Kinder. Ausgeschlossen werden müsse bei einem solchen Gottesdienst "im erweiterten Familienkreis" die "Imitation einer kirchlichen Trauung". Also weder Ja-Worte noch eine Segnung von Ringen. Durch die Bitte um Gottes Segen gehe es um die Hoffnung, dass der Neuanfang gelingen möge.



Hinweis: Das Buch "Chancen zur Versöhnung? Die Kirche und die wiederverheirateten Geschiedenen" von Eberhard Schockenhoff aus dem Herder-Verlag hat 160 Seiten und kostet 18,95 Euro.