SPD kritisiert neue Landarzt-Regelung der Regierung

"Die großen Unterschiede werden damit nicht beseitigt"

Mit höheren Honoraren sollen Ärzte künftig in dünn besiedelte Regionen gelockt werden. So sieht es der vom Kabinett verabschiedete Entwurf für ein Versorgungsgesetz vor. Die Opposition bleibt skeptisch. "Die Umverteilung der Ärzte ist nicht gelungen", so Karl Lauterbach, der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion im domradio.de-Interview.

 (DR)

"Geld mit der Gießkanne an bestehende Ärzte zu geben, löst kein Problem", beurteilte der SPD-Politiker am Mittwoch im domradio.de-Interview. Sehr viel sinnvoller wäre es aus Sicht der Opposition gewesen, freiwerdende Arztsitze in überversorgten Lagen aufzukaufen und dann in unterversorgten Gebieten neue Arztplätze aufzubauen. Lauterbach wies daraufhin, dass eine Unterversorgung nicht nur auf dem Land sondern auch in Stadtteilen mit sozialen Brennpunkten bestehe. "Die Region Köln ist in der Innenstadt und in vielen Bereichen überversorgt, es fehlen aber in Teilen von Köln Hausärzte, Kinderärzte", so Lauterbach.



Landärzte sollen künftig keine finanziellen Nachteile hinnehmen

Das Bundeskabinett brachte am Mittwoch den Entwurf für ein Versorgungsgesetz auf den Weg, wonach Landärzte mit vielen Patienten künftig keine finanziellen Nachteile mehr hinnehmen müssen. Bislang werden die Honorare von Medizinern gekappt, wenn sie sehr viele Leistungen bei den Kassen abrechnen. Schwarz-Gelb hofft, damit dem drohenden Ärztemangel zu begegnen.



Gesundheitsminister Daniel Bahr sagte bei der Vorstellung des Regelwerks, dass es derzeit zwar noch keine Versorgungsprobleme gebe. Es gebe aber Regionen "mit Unterversorgung" und solche, in denen eine mangelnde Versorgung drohe. Dem werde nun entgegengetreten. "Wenn wir das jetzt nicht tun, wird es teurer für die Versicherten", warnte der FDP-Politiker. Experten schätzen, dass in den nächsten Jahrzehnten bundesweit bis zu 20.000 Ärzte fehlen werden.



Landärzte dürfen in Zukunft auch in der Stadt wohnen und zur Arbeit pendeln

In dem Entwurf sind auch weitere Maßnahmen vorgesehen, die Medizinern ein Leben auf dem Land schmackhaft machen sollen. So soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden, um mehr Frauen zu gewinnen. So sollen sich Vertragsärztinnen nach einer Geburt beispielsweise zwölf statt bisher sechs Monate vertreten lassen können. Aufgehoben wird die sogenannte Residenzpflicht für Ärzte. Das heißt, künftig können die Mediziner in der Stadt wohnen und auf dem Land praktizieren.



Kritik am dem Regelwerk kam von Krankenkassen, Arbeitgebern und Gewerkschaften. Die gesetzlichen Krankenkassen vermissten Maßnahmen im Kampf gegen die Überversorgung in Ballungsräumen. "Überversorgung abbauen und Unterversorgung verhindern sind zwei Seiten einer Medaille", betonte Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbands.



Kritik: Regionales Ungleichgewicht bleibt bestehen

Auch der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, Rolf Hoberg, sagte der "Südwest Presse": "Dieses Gesetz gibt uns keine vernünftigen Instrumente in die Hand, um das regionale Ungleichgewicht abzubauen." Er forderte zumindest eine Begrenzung des Honoraranstiegs und eine gezielte Umleitung in den ländlichen Raum.



Die Arbeitgeber äußerten Zweifel am Sinn des Vorhabens und warnten vor Zusatzkosten. "Es ist gesetzliche Aufgabe der Ärzteschaft, überall eine ausreichende ärztliche Versorgung sicherzustellen", sagte ein Sprecher der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) der Tageszeitung "Die Welt". "Wenn die Ärzteschaft dazu bislang nicht in der Lage ist und deshalb der Gesetzgeber aktiv werden muss, darf diese Fehlleistung nicht noch mit einem Honorarzuwachs belohnt werden."



"Ein Zeugnis beispielloser Klientelpolitik"

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nannte das Versorgungsgesetz "ein Zeugnis beispielloser Klientelpolitik". "Statt die Gesundheitsversorgung für die Patienten zu verbessern, will die Koalition die Ärzte und Zahnärzte mit höheren Honoraren versorgen", erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach in Berlin.



Der Sozialverband Deutschland befürchtet ebenfalls höhere Kosten für Patienten. Wenn das neue Gesetz letztlich doch mehr Kosten verursache, könnten enorm hohe Zusatzbeiträge für die gesetzlich Krankenversicherten fällig werden, warnte Präsident Adolf Bauer. Schwarz-Gelb rechnet bei den Maßnahmen für Landärzte und Vertragszahnärzte mit Zusatzkosten von bis zu 320 Millionen Euro im Jahr.



Regierung reagiert zudem auf Pleite der City BKK

Lob erntete Bahr indes für sein Vorhaben, jene Krankenkassen, die Versicherte abwimmeln, zu saftigen Strafen zu verdonnern. Die Regierung reagiert damit auf Erfahrungen seit der Pleite der City BKK. Andere Krankenkassen wollen deren Versicherte nicht ohne Weiteres aufnehmen, obwohl sie dazu gesetzlich verpflichtet sind.



Der Geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, erklärte: "Insbesondere Schwerstkranke und Schwerstpflegebedürftige sind dabei die Verlierer." Daher sei es gut, dass die Regierung die Kassen jetzt in die Verantwortung nehme. Neue Formulare sollen den Wechsel der Kasse zudem künftig vereinfachen.