Kirchen schockiert über Anschläge in Norwegen

Trauer und Verzweiflung

Die blutigen Anschläge in Norwegen, bei denen mindestens 92 Menschen getötet wurde, haben auch bei den Kirchen Entsetzen und Trauer ausgelöst. . Die norwegische lutherische Bischöfin Helga Haugland Byfuglien verurteilte die Tat als Akt sinnloser Gewalt. In einem Trauergottesdienst im Dom von Oslo sprach sie am Sonntag den Hinterbliebenen Trost zu: "Ihr seid nicht allein in Eurer Trauer."

 (DR)

Papst Benedikt XVI. hat die Anschläge von Oslo und Utoya als "Akte sinnloser Gewalt" verurteilt und den Familien der Opfer sein Beileid ausgesprochen. Der Papst sei "zutiefst traurig" über die vielen Toten und Verletzten, heißt es in einem am Samstagabend veröffentlichten Beileidstelegramm. Zugleich rief Benedikt XVI. die norwegische Bevölkerung angesichts der "nationalen Trauer" zu einem geeinten und entschlossenen Eintreten gegen Hass und Konflikte auf.



Die Norweger sollten ohne Angst für eine von gegenseitigem Respekt, Solidarität und Freiheit geprägte Zukunft für die kommenden Generationen eintreten, heißt es in dem Telegramm an den norwegischen König Harald V. Der Papst versicherte, die Opfer und ihre Angehörigen in seine Gebete mit einzuschließen. Unterzeichnet ist das Schreiben von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone.



Zollitsch: "Sprachlos und fassungslos"

Mit Trauer und Entsetzen hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, auf die Anschläge von Norwegen reagiert. "Der Schrei des Todes hat uns alle zutiefst erschüttert", sagte Zolltisch am Sonntag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn. "Sprachlos und fassungslos stehen wir vor einer Tragödie, die sich nicht in Worte fassen lässt", so Zollitsch weiter. "Wie kann ein Mensch so abgründig handeln?" Sein Mitgefühl gelte dem gesamten norwegischen Volk, sagte der Bischofskonferenz-Vorsitzende.



Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und rheinische Präses Nikolaus Schneider zeigte sich am Wochenende geschockt und drückte den Hinterbliebenen sein Mitgefühl aus. In vielen Sonntagsgottesdiensten in Deutschland gedachten die Gläubigen der Opfer.



Am Freitag waren bei einer Bombenexplosion im Regierungsviertel von Oslo sieben Menschen und bei einem anschließenden Massaker in einem sozialdemokratischen Ferienlager auf der Insel Utöya mindestens 85 junge Leute getötet worden. Der 32-jährige mutmaßliche Täter gehört der rechten Szene an und ist nach Polizeiangaben "christlich-fundamentalistisch" orientiert.



Ökumenischen Gottesdienst in Oslo

An dem ökumenischen Gottesdienst in Oslo nahmen neben Hinterbliebenen und Überlebenden auch Spitzenvertreter des norwegischen Staates teil. "Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben", sagte Ministerpräsident Jens Stoltenberg. "Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit". Der norwegische Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Olav Fykse Tveit, zeigte sich "tief traurig, dass dies in meinem geliebten Land geschehen ist". Norwegen sei nun auf internationale Solidarität angewiesen.



Der EKD-Ratsvorsitzende Schneider äußerte sich "tief erschüttert von den brutalen Gewalttaten". Keine politische oder religiöse Lehre könne Begründung sein für diesen Akt des kaltblütigen Mordens, unterstrich der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister erklärte, Christen vertrauten darauf, dass weder Schmerz noch Leid und nicht einmal der Tod die endgültige Zerstörung des Lebens seien. Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker verurteilte ebenfalls die "verabscheuungswürdigen Anschläge". "Wir sind mit den Angehörigen der Opfer im Gebet verbunden", sagte er in einer Pontifikalvesper im Paderborner Dom.



Der bayerische evangelische Landesbischof Johannes Friedrich zeigte sich entsetzt, dass "in den Medien dieser Tat ein christlich-fundamentalistisches Motiv unterstellt" werde. Mit "christlich" habe solches Denken "gar nichts zu tun", betonte Friedrich in einem Gottesdienst in Rothenburg ob der Tauber. Der nordelbische Bischof Gerhard Ulrich sagte, wenn der Täter tatsächlich einen christlich-fundamentalistischen Hintergrund habe, dann müsse "ein ganz klarer und ganz scharfer Trennungsstrich" gezogen werden.

Terror und Mord ließen sich auf keine Weise rechtfertigten und hätten mit Glaube, Liebe und Hoffnung im christlichen Sinn absolut nichts zu tun.



Minutiös und eiskalt geplant

Der norwegische Attentäter Anders B. hat die Anschläge vom Freitag nach Einschätzung des Kriminalpsychologen Christian Lüdke minutiös und eiskalt geplant. "Er trägt mit großer Wahrscheinlichkeit einen sehr tiefen Hass in sich, eine unglaubliche Wut und natürlich auch eine sehr hohe kriminelle Energie", sagte Lüdke, der in Essen eine Gesellschaft zur Opferbetreuung nach Überfällen, Geiselnahmen oder Katastrophen leitet, am Samstagabend in der ARD.



Anders B. habe sich bei dem Massaker in einem Ferienlager gezielt junge Menschen als Opfer ausgesucht, "die letztendlich die Zukunft eines Landes ausmachen", erläuterte Lüdke. "Damit zerstört er das grundlegende Sicherheitsgefühl." Die Jugendlichen, die dem Massenmord in dem Ferienlager auf der Insel Utöya entkamen, erleben nach Lüdkes Worten ein unvorstellbares Trauma.