Ein Kommentar zur Hungerkrise in Ost-Afrika

Not und Hunger? Mir doch egal!

Wegen schwerer Dürre und massiver Ernteausfälle am Horn von Afrika hat die UNO inzwischen zwei Regionen in Somalia zu Hungergebieten erklärt. Eine Milliarde Dollar könnte ein Massensterben verhindern. Doch wir wollen erst einmal Europa retten mit hunderten Milliarden Euro. Ein Kommentar von domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen.

Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen (DR)
Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / ( DR )

Der Papst hat die Menschen in aller Welt eindringlich um schnelle Hilfe gebeten. Die UNO bezeichnet die Lage als die "dringlichste humanitäre Tragödie der Welt". In Ostafrika hungern rund 13 Millionen Menschen. Mehr als eine halbe Million Kinder sind ganz akut vom Hungertod bedroht. Die Hilfsorganisationen schätzen, dass mindestens eine Milliarde Dollar nötig sind, um ein massenhaftes Sterben zu verhindern. Aber wen interessiert das wirklich?



Die Euroländer beschließen einen 500 Milliarden schweren Rettungsschirm für Europa. Der Internationale Währungsfond (IWF) legt mindestens noch einmal die Hälfte drauf. Der deutsche Anteil beträgt rund 148 Milliarden. Alleine auf ca. 170 Milliarden Euro müssten die Gläubiger (Banken, Staaten) verzichten, wenn sie die nur den Griechen die Hälfte ihrer Schulden erlassen wollen. Aber wen interessieren diese riesigen Geld- und Schuldenberge noch wirklich? Wer hat sich in diesem Milliardenpokerspiel nicht längst ausgeklinkt, weil diese Summen jedes menschliche Vorstellungsvermögen einfach überschreiten?



Bin ich eigentlich mitverantwortlich? Für die Gewinne der Firma Apple bestimmt, auch wenn mein iPhone jetzt schon zwei Jahre alt ist: Nach eigenen Angaben hat der beliebte Technologiekonzern alleine in den letzten drei Monaten einen Nettogewinn von rund 7,3 Milliarden Dollar erwirtschaftet - und in Afrika weiß man nicht, wo die eine einzige dringend notwendige Milliarde Dollar denn herkommen soll …



Alle diese Zahlen finden sich in den aktuellen "Nach-richten". Sollte ich mich nicht "danach-richten"? Immerhin  bereiten mir diese Meldungen Bauchschmerzen: Wir stellen ohne viel Mucken Milliarden für EU-Hilfen bereit - weil diese Hilfe "alternativlos" ist. Es geht doch um unser Wirtschaftssystem! Wir kaufen oft zu teure, nette digitale Spielzeuge, auf die wir nicht verzichten können und wollen. Es geht um unseren Wohlstand, der ist offenbar auch "alternativlos"!



Und die Hungernden in Afrika, die Not und das Elend meiner Mitmenschen auf diesem Planeten? Eine Milliarde Dollar - also nur ca. 786 Millionen Euro wären notwendig, um am Horn von Afrika das Schlimmste erst einmal zu verhindern. Diese Hilfe ist wirklich alternativlos - sonst sind wir diese hungernden Menschen für immer los!



Ich wünsche mir Politiker, die nicht aus Afrika zurückreisen, um sich um die Eurokrise zu kümmern oder wegen ihrer innenpolitischen Schwierigkeiten. Ich wünsche mir Politiker, die sich ihre Nächte um die Ohren schlagen, um die Notlage in Afrika noch einmal abzuwenden. Ich wünsche mir mehr Menschen, denen Not und Elend nicht länger egal sind.