Kloster zeigt Hemd Johannes Pauls II. vom Tag des Attentates

Das blutige Hemd des Papstes

Ein Unterhemd mit Blutflecken, das Johannes Paul II. während des Anschlags am 13. Mai 1981 auf dem Petersplatz trug, wird nun im römischen Kloster der "Töchter der Barmherzigkeit" ausgestellt. Über die Hintergründe der Reliquie berichtet Veronika Schütz aus Rom.

Autor/in:
Veronika Schütz
Rom: Priorin Beatrice und das Blut-Shirt (KNA)
Rom: Priorin Beatrice und das Blut-Shirt / ( KNA )

Anna Stanghellini hat OP-Dienst an jenem 13. Mai 1981: Die Ärzte kämpfen im neunten Stock der Gemelli-Klinik um das Leben von Papst Johannes Paul II. Mit mehreren Schüssen hat ihn Attentäter Ali Agca auf dem Petersplatz verletzt. In der Klinik angekommen, zählt jede Minute: Unterkleider zerschneiden, OP-Besteck vorbereiten, Infusionen legen. Eine Kugel hat den Bauchraum durchschlagen, den Darm zerfetzt. Nach fünf Stunden OP scheint Johannes Paul II. gerettet; von dem blutverschmierten Unterhemd auf dem Boden nimmt niemand mehr Notiz. Nur Anna Stanghellini. Die Krankenschwester wickelt es kurzerhand in ein Handtuch und nimmt es mit nach Hause. Knapp 20 Jahre hütet sie das Geheimnis in ihrem Schrank.



"Es ist ein großes Geschenk, das wir von Anna bekommen haben", sagt Schwester Beatrice, Priorin des Klosters. Seine Geschichte ist zugleich auch Annas Geschichte. Als junge Frau trat die Römerin in das Seminar der "Genossenschaft der Töchter der christlichen Liebe vom Heiligen Vinzenz von Paul" ein. Nach einiger Zeit, 1964, merkt sie jedoch, dass ihr Lebensweg ein anderer ist. Stanghellini verlässt die Gemeinschaft, wird Krankenschwester. Doch nach ihrer Pensionierung kommt sie wieder zurück. "1996 stand sie vor der Tür, wollte wieder hier leben, um nicht allein zu sein. Sie war eine von uns", erinnert sich Beatrice. Von dem Unterhemd wusste damals niemand. Anna Stanghellini schwieg beharrlich - bis zum Jahr 2000.



Vatikan bestätigte Echtheit

"Es war an einem Abend im März. Damals kam Anna nach dem Abendessen zu mir und fragte mich, ob ich mit in ihr Zimmer kommen könnte", berichtet die Priorin. Anna habe ihre Tür von innen geschlossen und ihren Schrank geöffnet. "Sie holte ein blutiges, zerschnittenes T-Shirt heraus und sagte, es sei das Unterhemd von Johannes Paul II., das er am Tag des Attentats trug". Das Kleidungsstück ist links und rechts aufgeschnitten, ein wenig zerfetzt; Spuren von Desinfektionsmitteln sind zu sehen, und auf Höhe des Bauchs befindet sich ein großer Fleck getrockneten Blutes. Drei kleine Löcher zeugen von den Schüssen. Am Kragen sind noch die mit rotem Garn eingestickten Initialen "JP" zu lesen. "Ich war perplex; damit hatte ich nicht gerechnet. Aber ich wusste sofort, dass es sich um etwas Bedeutendes handelt", sagt Beatrice.



Anna Stanghellini selbst wollte die Existenz des Hemdes außerhalb der Klostermauern weiter geheim halten. Sie vermachte es noch im gleichen Jahr den Vinzentinerinnen. Beatrice entschied, das Hemd zu konservieren und einzurahmen. Annas Wunsch respektierte die Ordensfrau bis zu deren Tod am 22. Juli 2004. Danach wollte sie Gewissheit, auch wenn sie selbst nie an der Echtheit zweifelte.

"Aber ich wusste, das Unterhemd muss überprüft werden". Knapp ein Jahr später verfasste Beatrice einen Brief an den Vatikan und übergab das T-Shirt einem Kurienerzbischof. Mit leeren Händen kehrte sie ins Kloster zurück. "Ich dachte, ich bekomme es nie wieder."



Doch schon nach etwa zwei Wochen konnte sie es wieder abholen. Eine Untersuchung habe nicht stattgefunden, sagt Beatrice. Die von ihr beigefügten Beglaubigungsschreiben waren für den Vatikan Beweis genug für die Echtheit. "Eine große Freude stieg in mir auf. Von da an gehörte das Hemd richtig zum Orden", so die Vinzentinerin. Im kirchenrechtlichen Sinne handelt es sich zwar nur um eine Reliquie zweiten Grades; für Beatrice ist sie jedoch viel bedeutender. Viele Reliquien habe sie in ihrem Leben schon gesehen, aber diese sei anders als alle anderen. Heute hängt das Unterhemd hinter Glas im Seitenschiff der Ordenskapelle. "Es zeigt den Schmerz, die Angst und den tiefen Glauben des Papstes - aber auch den Schutz einer unsichtbaren Hand."