Die Leitung des Erzbistums Berlin bleibt eine anspruchsvolle Aufgabe

Brennpunkt deutscher Kernfragen

"Das schwerste Bistum der Welt" nannte Johannes Paul II. die Diözese Berlin zu Zeiten der deutschen Teilung. Seit der Wiedervereinigung vor über 20 Jahren ist dies Geschichte. Dennoch ist die Leitung des - inzwischen - Erzbistums eine besonders anspruchsvolle Aufgabe geblieben.

Autor/in:
Birgit Wilke
 (DR)

Schon die Ausdehnung ist für deutsche Verhältnisse enorm: Das Erzbistum reicht von der Ostsee-Insel Rügen im Norden bis zur Südgrenze Brandenburgs. Mit 31.200 Quadratkilometern ist es flächenmäßig die zweitgrößte Diözese der Bundesrepublik. Vergleichsweise klein ist dagegen die Zahl ihrer Katholiken: Es sind rund 390.000, davon 314.000 in Berlin, das damit nach München und Köln jedoch die drittgrößte katholische Einwohnerschaft unter Deutschlands Großstädten hat.



In geschichtlicher Hinsicht kann das Bistum Berlin nicht mit Superlativen aufwarten. Unter den 27 deutschen Diözesen ist es eher ein Newcomer, erst 1930 wurde es auf Gebieten des Erzbistums Breslau gegründet. Einen großen Einschnitt erfuhr es nach dem Zweiten Weltkrieg, als sein östlich der Oder gelegener Teil an Polen fiel und 1972 zu neu gegründeten polnischen Diözesen kam.



Während der Teilung Deutschlands war das Bistum Berlin eine der wenigen innerdeutschen "Klammern". Sein Bischof war Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz und zugleich der Berliner Bischofskonferenz der ostdeutschen Oberhirten. Persönlichkeiten wie die Kardinäle Alfred Bengsch und Joachim Meisner prägten das Bistum in den Zeiten der Trennung. Anschließend musste der am Donnerstag verstorbene Kardinal Georg Sterzinsky in über 20 Jahren die schwierige Aufgabe meistern, das unter anderem wegen vieler Doppelstrukturen hoch verschuldete Erzbistum zu sanieren. In den Jahren vor seinem krankheitsbedingten Rücktritt im Februar gelang es ihm, die Schulden weitgehend abzubauen. Ein Weg, den wohl auch sein Nachfolger weiterführt, der an diesem Samstag ernannt wird.



Mit dem Regierungsumzug kommen tausende Katholiken

Bedeutendstes Bauwerk des Erzbistums und ein Wahrzeichen Berlins ist die Sankt-Hedwigs-Kathedrale. Im Herzen der Bundeshauptstadt kann die katholische Kirche inzwischen aber auch eine Reihe weiterer wichtiger Adressen vorweisen. So entwickelte sich die neue Katholische Akademie zu einem beachteten Veranstaltungsort über Themen aus Religion, Politik und Kunst. Mit dem Umzug der Bundesregierung kamen auch das "Katholische Büro" der Deutschen Bischofskonferenz, das den Kontakt zur Bundespolitik hält, die Apostolische Nuntiatur des Papstes und das Katholische Militärbischofsamt in die Hauptstadt.



Auch prominente Gesichter wie der Bundestagsvizepräsident und SPD-Politiker Wolfgang Thierse, der frühere Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und CDU-Politiker Hans Joachim Meyer sowie die ehemaligen Bundesgesundheitsministerin und Grünen-Politikerin Andrea Fischer prägen das "katholische Gesicht" der Hauptstadt mit.



Der Regierungsumzug führte zum Zuzug tausender Katholiken in die Region. Vor allem in den Kirchengemeinden des brandenburgischen Umlandes macht sich dies bemerkbar. Dort sind die meist kleinen Gotteshäuser an Sonn- und Feiertagen nun oft überfüllt, Plätze in katholischen Kindertagesstätten und Schulen rar. Die bundesweite Missbrauchsdebatte, die vom Berliner Jesuitengymnasium Canisius-Kolleg vor gut einem Jahr ausging, hat daran nichts geändert.



Auch in anderer Hinsicht kamen Berliner Katholiken in den vergangenen Jahren in die Schlagzeilen. Unter dem Stichwort "Pro Reli" wollten sie zusammen mit anderen Religionsgemeinschaften in einer Bürgerinitiative erreichen, dass der Religionsunterricht von einem Zusatzangebot zu einer gleichberechtigten Alternative des staatlichen Ethikpflichtfachs wird. Bei einem Volksentscheid erhielten sie vor zwei Jahren zwar keine Mehrheit dafür, zumal der eher kirchenkritische rot-rote Senat mit aller Macht dagegenhielt. Die Initiative führte aber zu einer anhaltenden öffentlichen Debatte über die Stellung der Religion in der Gesellschaft.