Grünen ringen sich Ja zum Atomausstiegsgesetz ab

Belastungsprobe für Senkrechtstarter

Die Grünen wollen im Bundestag für den Atomausstieg bis 2022 stimmen. Dazu rang sich am Samstag nach siebenstündiger kontroverser Debatte ein Sonderparteitag durch. Denn eigentlich hält die Partei das Abschalten des letzten deutschen Kernkraftwerks bereits 2017 für möglich.

 (DR)

Bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen billigten die etwa 800 Delegierten mit großer Mehrheit trotz vieler Bedenken das Atomausstiegsgesetz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Zwischenschritt.



Im Bundestag wird am Donnerstag über das Gesetz abgestimmt, wonach die sieben ältesten Atommeiler und der Pannenreaktor Krümmel nicht mehr ans Netz gehen. Die verbleibenden neun Kernkraftwerke werden stufenweise bis 2022 abgeschaltet. Im Beschluss der Grünen heißt es: "Wir werden auch weiterhin mit aller Kraft dafür arbeiten, dass das letzte Atomkraftwerk sobald wie möglich endgültig vom Netz geht, und zwar deutlich vor dem von der Bundesregierung geplanten Jahr 2022."



Auch verlangte der Parteitag, den Atomausstieg als unwiderruflich ins Grundgesetz zu schreiben. Keine Mehrheit fand ein Antrag, dem Gesetz von Union und FDP nur nach Nachverhandlungen zuzustimmen. Die sechs Gesetze zur Energiewende, über die ebenfalls am 30. Juni im Bundestag abgestimmt wird, lehnen die Grünen nach wie vor ab.



Atomkraftgegner forderten Nein

Während ein Großteil der Redner Merkels Kehrtwende in der Energiepolitik begrüßte, schlugen sich andere Delegierte auf die Seite von Atomkraftgegnern und einigen Umweltschutzverbänden, die eine Zustimmung der Grünen vehement ablehnen.



Die Vorsitzende Claudia Roth sagte: "Wir haben nach jahrzehntelangem Kampf einen wirklichen Sieg errungen." Denn jetzt seien auch Union und FDP für den Ausstieg. "Da müssen wir Grüne doch zupacken", rief Roth aus.



Der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, sagte, viele Punkte der Grünen seien in den Gesetzesentwurf eingeflossen. Als Beispiel nannte er die Rücknahme der Laufzeitverlängerung, die sofortige Abschaltung von acht alten Meilern sowie fixe Abschaltdaten für die restlichen neun Reaktoren. "Wäre es glaubwürdig, wenn wir gegen unsere eigenen Anträge stimmen? Lasst uns aus dem kommenden Donnerstag einen Grünen-Donnerstag machen", betonte Trittin.



Grüne Jugend legte sich quer

Die Sprecherin der Grünen Jugend, Gesine Agena, sagte dagegen: "Wenn Merkel nicht die Zeit oder den Mut hat, um mit uns Grünen über den Atomausstieg zu verhandeln, hat sie unsere Zustimmung nicht verdient." Zentrale Forderungen der Grünen wie ein Ende der Erkundung des Salzstocks in Gorleben, eine Erhöhung der AKW-Sicherheit oder ein schnellstmögliches Ende der Kernkraft seien in der Gesetzesnovelle nicht berücksichtigt.



Einen Riesenapplaus bekam der Parteilinke Hans-Christian Ströbele. Er sagte, zwischen dem von den Grünen geforderten Abschaltjahr 2017 und dem von Schwarz-Gelb angebotenen Ausstiegsjahr 2022 lägen fünf Jahre. "Da können wir doch nicht Ja sagen, da müssen wir Nein sagen", rief der Bundestagsabgeordnete aus.



Fraktionschefin Renate Künast erklärte: "Ich will, dass wir am Donnerstag sagen können: Die Grünen sagen Ja, dass 2040 zu lange hin ist:" So lange könnten Kernkraftwerke ohne Gesetzesnovelle laufen.



Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann betonte, die Kehrtwende von Union und FDP in der Energiepolitik sei ein Verdienst seiner Partei. "Wir Grünen sind das Maß der Dinge in der Energiepolitik." Sie hätten sich als 20-Prozent-Partei zu 80 Prozent durchgesetzt. Deshalb könne man von einem "guten und vertretbaren Kompromiss" sprechen.