Der lange Weg der deutschen Fußballfrauen zur Anerkennung

Ein Kaffeeservice für den EM-Sieg

Vom 26. Juni bis 17. Juli 2011 ist Deutschland Gastgeber der sechsten Frauenfußball-Weltmeisterschaft. Bis hierhin war es ein langer und hindernisreicher Weg - und einfach nur Fußball zu spielen ist auch heute für Frauen immer noch nicht selbstverständlich. Eine Rückblick.

Autor/in:
Imke Plesch
 (DR)

Sie wurde verlacht, beschimpft und sogar mit Steinen beworfen. Dabei wollte Lotte Specht einfach nur Fußball spielen. 1930 gründete die sportbegeisterte 19-Jährige in Frankfurt den ersten deutschen Damenfußballclub. Der Club bestand nur ein Jahr - zu stark war der Gegenwind in den Medien und von den Eltern der fußballspielenden Mädchen. Über 80 Jahre später ist Deutschland zweifacher Frauenfußball-Weltmeister.



Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Wettkampf- und Leistungssport von vielen als gefährlich für die weibliche Gebärfähigkeit angesehen. Im "Kampfsport" Fußball hätten Frauen schon gar nichts zu suchen: "Das Fußballspiel ist ein männliches Kampfspiel mit all den Begleiterscheinungen, die der Kampf mit sich bringt. Was für den Mann ein Ausdruck der Kampftüchtigkeit ist, das wird hier bei der Frau zur lächerlichen "Megärenhaftigkeit", zur "Fratze", zur "Karikatur"", heißt es 1925 in einer Zeitschrift des sozialistischen Arbeiter-, Turn- und Sportbundes.



Ablehnung aus "ästhetischen Gründen"

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg ändert sich daran wenig. Obwohl sich überall in Deutschland Frauen zu Fußballmannschaften zusammentun, lehnt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Damenfußball "aus grundsätzlichen Erwägungen und ästhetischen Gründen" ab. 1955 verbietet er seinen Mitgliedsvereinen unter Androhung von Strafe, Damenfußballabteilungen zu gründen, Damenfußballspiele als Schiedsrichter zu pfeifen oder Frauen auf ihren Plätzen spielen zu lassen.



Bis 1963 finden trotz DFB-Verbot 70 Länderspiele von deutschen Frauenmannschaften statt. In den Medien werden zunehmend Stimmen laut, die sich für eine Gleichberechtigung der Frauen im Fußball einsetzen und ihre faire Spielweise loben. "Es war die netteste Seite des Spiels, dass es ein Spiel blieb, mit Eifer durchgeführt, ohne unästhetische Gewaltsamkeiten, ohne Rohheiten, ohne unfaire Kniffe und Püffe. Eigentlich war"s genau das, was man früher einmal "Sport"

nannte", hieß es zum Beispiel 1957 im Münchner Merkur.



Verdienst der 68er-Bewegung

Aufschwung bekam der Frauenfußball im Zuge der 68er-Bewegung und einer sich verändernden Einstellung gegenüber Frauen. Im Oktober 1970 ist der Widerstand des DFB gebrochen und er beschließt die Zulassung von Damenfußballspielen, auch um die Gründung eines konkurrierenden Frauenfußballverbandes zu verhindern. Zunächst gelten jedoch besondere Regeln für die Frauen, wie zwei 30-minütige Halbzeiten, einen leichteren Ball und die Erlaubnis, den Ball mit angelegten Händen abzuwehren. Erst seit 1993 spielen auch die Frauen zweimal 45 Minuten.



Schritt für Schritt erkämpfen sich die Fußballerinnen dieselben Rechte wie die Herren, spielen um die deutsche Meisterschaft und werden Trainerinnen mit DFB-Lizenz. 1982 bestreitet die neu gegründete Nationalelf in Koblenz ihr erstes Spiel gegen die Schweiz. Die Deutschen gewinnen mit 5:1. Co-Trainerin Anne Trabant hat Tränen in den Augen: "Jetzt erfüllt sich endlich unser Traum!"



Die Austragung und der Gewinn der Europameisterschaft 1989 bedeuten eine wichtige Etappe für die Anerkennung des Frauenfußballs in Deutschland. Doch wie weit er noch von der Gleichberechtigung entfernt war, zeigt die Tatsache, dass das Finale nicht live im Fernsehen übertragen wurde - und dass der DFB den Damen zum Sieg je ein Kaffee- und Tafelservice schenkte.



"Frauenfußball" erst seit den 90er Jahren

Im Halbfinale der EM trat mit Sabine Töpperwien als ARD-Reporterin zum ersten Mal eine weibliche Fußballkommentatorin auf. Ab Anfang der 90er Jahre spricht der DFB nicht mehr von "Damen-", sondern von "Frauenfußball".



International feiern die deutschen Fußball-Frauen seitdem einen Erfolg nach dem anderen. Mit einer Ausnahme haben sie seit 1989 jede Europameisterschaft gewonnen. 1995 wurden sie außerdem Vizeweltmeister, 2003 und 2007 holten sie sich den Titel.



Doch die internationalen Erfolge verändern nur langsam die nationale Fußballlandschaft. Zu den Spielen der 1990/1991 gegründeten Frauenfußball-Bundesliga kamen in der vergangene Saison im Schnitt 900 Zuschauer - bei den Männern waren es über 40.000.



Das Interesse junger Mädchen und Frauen, selbst Fußball zu spielen, wächst dafür stetig: In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Anteil der weiblichen Mannschaften an allen DFB-Mannschaften verdoppelt - wenn auch nur von vier auf acht Prozent.



Anfang April eröffnete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin die Ausstellung "Frauen schreiben Fußballgeschichte". Ihre Vorfreude auf die Weltmeisterschaft werde jeden Tag größer, sagte Merkel vor den anwesenden Nationalspielerinnen. "Ich glaube, wir alle zählen jetzt jeden Tag, bis das neue Märchen endlich beginnt."