Der Kirchentag in Dresden diskutiert über Ökumene und die "Mühen der Ebene"

Ungeduld und langer Atem

Das Ergebnis der Diskussion stand bereits zu Beginn fest: "Alternativlos: Ökumene!" war die (einzige) Veranstaltung des Evangelischen Kirchentags in Dresden überschrieben, die sich thematisch mit der Einheit der Christen beschäftigte.

Autor/in:
Norbert Zonker
 (DR)

Gut 1.400 Zuschauer im Kulturpalast wollten genauer wissen, wie sich die leitenden Bischöfe der katholischen, evangelischen und orthodoxen Kirche in Deutschland den Weg zu einer engeren Gemeinschaft vorstellen.



Fast gleichlautend hoben der katholische Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, der rheinische Präses Nikolaus Schneider und der griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos hervor, wie viel sich in ihrer Lebenszeit im Verhältnis zwischen den Kirchen geändert habe. Schneider sprach schmunzelnd davon, dass sich dies bis in die körperliche Wahrnehmung erstrecke: "In meiner Jugend wäre es für mich völlig undenkbar gewesen, dass ich einmal Weihrauch als angenehmen Geruch empfinden könnte." Solche Fortschritte dürften nicht vergessen werden, auch wenn sich derzeit eher das Gefühl der "Mühen der Ebene" breitmache und die nächste Treppenstufe noch nicht in Sicht sei.



Übereinstimmung herrschte auch über den Vorrang einer Ökumene des Lebens: Augoustinos hob die große Bedeutung persönlicher Kontakte und Initiativen hervor. "Wenn Moses nicht gewesen wäre, lebten die Juden heute noch in Ägypten", meinte er. Und er wandte sich gegen einen oftmals unterstellten Gegensatz von Kirchenleitung und Basis: "Ein Bischof ist da für das Kirchenvolk." Man könne sogar oft sagen, "dass die Menschen weiter sind als die Hirten". Auch Schneider betonte das Miteinander der verschiedenen Ebenen in den Kirchen: Dass bereits jetzt so Vieles in den Gemeinden gemeinsam gemacht werde, sei doch nur möglich, "weil die Bischöfe mitspielen", und müsse nicht gegen sie organisiert werden.



Zollitsch plädiert für "langen Atem"

Die Christen, so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), sollten alles miteinander tun, was schon möglich sei. Und er fügte die Bemerkung hinzu, die er "eigentlich nicht machen" dürfe: "und noch ein bisschen mehr". Es gehe darum, miteinander gute Erfahrungen zu machen, "Theorie ist immer nachgängig". Zugleich warnte er vor einem zu großen Tempo bei solchen Experimenten. Bei denen, die zu viel machten, könne es zum Bruch kommen.



Eine Einschätzung, die auch Zollitsch bestätigte: Er finde sich derzeit in der paradoxen Situation, dass er zwischen den verschiedenen Flügeln innerhalb der katholischen Kirche - etwa den Anhängern des reformorientierten Theologenmemorandums und der dagegen gerichteten "Petition Pro Ecclesia" - vermitteln müsse, damit sie miteinander sprächen. Zugleich wandte sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz gegen Forderungskataloge, die das Gespräch nicht weiterbrächten. So könne die katholische - wie auch die orthodoxe - Kirche nicht einfach ihre 2.000-jährige Tradition beiseiteschieben, etwa im Blick auf eine Priesterweihe von Frauen.



Zollitsch plädierte für einen "langen Atem" in der Ökumene, was aber nicht bedeuten solle, die Dinge auf die lange Bank zu schieben. Zum einen brauche es noch Zeit, die Verletzungen aufzuarbeiten, die sich Katholiken und Protestanten mehr als 400 Jahre lang zugefügt hätten.



Zum anderen gehe es um die theologischen Kernfragen von Amt und Kirchenverständnis. Es wäre "nicht ehrlich, über diese Unterschiede hinwegzugehen", so der Erzbischof, und würde auch nicht zur Einheit führen. "Wir ringen um diese Fragen, und ich bin leidenschaftlich mit dabei." Im Blick auf Unmutsäußerungen im Publikum sprang Schneider Zollitsch bei; dieser gehöre für ihn "zu den Ungeduldigen" in der Ökumene.



Der EKD-Ratsvorsitzende bedauerte einen "konfessionellen Analphabetismus" bei vielen Christen; so wüssten die wenigsten Protestanten den Unterschied zwischen lutherischer und reformierter Tradition. Es sei aber für alle Konfessionen "wichtig, dass wir unsere Traditionen wertschätzen". Denn: "Sie bergen in sich große Schätze, die wir alle brauchen, aber lasst sie uns so gebrauchen, dass sie uns zusammenführen."