CSU-Politiker Goppel fordert "offensive Katholiken" gegen Schwund

Nicht mehr "mehr und schwerer"

Erstmals ist die Zahl der Katholiken im Münchner Erzbistum unter die 50-Prozent-Marke gesunken. Für Thomas Goppel ist die Zahl ein Weckruf. Der CSU-Politiker fordert im Interview mit domradio.de eine Kirche, die künftig offensiv für ihre Werte wirbt.

 (DR)

domradio.de: 23.000 Katholiken haben im vergangenen Jahr die Kirche in Bayern verlassen. Damit ist die Zahl der Katholiken in Bayern erstmals auf unter 50 Prozent gesunken. Wo liegen die Gründe?

Thomas Goppel: Das sind die Zahlen der Diözese München, nicht die von ganz Bayern. Ich glaube, dass da die Zahlen unterschiedlich aussehen. In München ist die Zuwanderung riesig. Und wenn Sie mal eine Fluktuation jährlich von 150.000 Menschen für die Stadt und den Umkreis nehmen und wissen, dass 100.000 gleichzeitig den Freistaat verlassen, also 50.000 bleiben, und von diesen 50.000 etwa die Hälfte im Großraum München angesiedelt ist, dann kommen Sie in der Rechnung recht schnell darauf, dass hier eine Zuwanderung stattfindet, die zulasten der Katholiken geht. Denn aus aller Welt wandern ja in erster Linie nicht Katholiken zu.



domradio.de: Dennoch sind ja mehr Katholiken ausgetreten als im Vorjahr...

Goppel: Im letzten Jahr hatten wir die große Diskussion um das große Problem der katholischen Kirche und einzelner Geistlicher, die in den zurückliegenden Jahren erst jetzt entdeckt wurden in ihrer sehr ungewöhnlichen Art mit Kindern umzugehen. Dass daraus eine höhere Zahl von Austritten entstanden ist, ist logisch. Und das wiederum jetzt auch schon wieder zurückgeht, ist auch logisch, weil man merkt, dass die Diözese bzw. die Kirche selber, die Möglichkeiten, die sie kennt, nutzt, um so etwas sich nicht wiederholen zu lassen.



domradio.de: Die Austrittswelle hält offenbar nicht an. Im ersten Quartal in diesem Jahr haben knapp 1000 Menschen weniger die Kirche verlassen als noch im vergangenen Jahr. Was bedeutet das für das katholische Bayern?

Goppel: Für das katholische Bayern bedeutet das, dass die Katholiken sich nicht mehr selbstsicher zurücklehnen können und sagen können "Wir sind mehr und deswegen schwerer". Das war immer ein bisschen die Ausrede, wenn man nichts getan hat. Es wird notwendig sein, ganz offensiv das christliche Menschenbild zu vertreten und die Menschen dafür zu werben und zu gewinnen: Dass wir eine besondere Form des Zusammenlebens zu organisieren suchen, Weltanschauung hin oder her, im staatlichen Bereich mit einer von da aus gespeisten grundlegenden Überlegung, wie Menschen zusammenleben können. Das christliche Menschenbild, Persönlichkeiten, die nebeneinander gelten, die Solidarität, die jedem hilft, wenn er in Not ist, egal woher er kommt, und die Subsidiarität, die sicherstellt, dass man dabei aufeinander zugeht und nicht abwartet, bis ein anderer kommt. Diese andere Art zu leben, muss jetzt offensiv vertreten werden. Auch in Gesetzesvorlagen und Ähnlichem. Katholische Kirche muss wieder tätig in der gesellschaftlichen Diskussion werden. Übrigens ein Armutszeichen, dass das nicht funktioniert bei den Kirchen - genau wie bei den Gewerkschaften.



domradio.de: Trotz der entspannten Finanzsituation dürfe man es sich jedoch nicht bequem machen, warnt Generalvikar Peter Beer. Wie kann die Kirche die Schäfchen wieder zurückholen?

Goppel: Das Zurückholen ist immer schwierig. Wer einmal entschieden hat, dass er bei etwas nicht mehr mitmacht, der wird nur sehr mühsam zurückzugewinnen sein. Gewonnen werden wohl am ehesten diejenigen, die nachwachsen. Und diejenigen, die man im alltäglichen Verkehr regelmäßig in der Begleitung hat. Das Zurückgewinnen hängt dann auch an den Köpfen und an den richtigen, überzeugenden Persönlichkeiten. Und da sind ein paar in der Führungsriege ja auch neu, mancher ist ausgewechselt worden. So dass ich davon ausgehe, dass da neues Vertrauen wachsen kann.



domradio.de: Sie sind der Sprecher der Katholiken in der CSU. Was hat die Austritts-Meldung bei Ihnen ausgelöst?

Goppel: Man muss offensiv ans Werk gehen und man sehr wohl auch deutlich machen, man gehört zu den Katholiken. Da ist in den letzten 50 Jahren in ganz Deutschland und ganz Europa sehr viel anders geworden, in dem Bemühen ja bei niemandem anzuecken, haben sich die Katholiken zurückgezogen; sie haben keine Meinung mehr, keine Positionen, wir haben unsere Form der Demonstration des Glaubens ganz hinten angestellt. Da muss wieder mehr deutlich werden. Man macht nur mit bei etwas, was man kennt und ist ganz sicherlich nicht angezogen von jemandem, der nicht unterwegs ist. Kirche  muss in ihrem Unterwegssein bekannt werden. Und da will ich gerne meinen Teil dazu beitragen.



Das Gespräch führte Monika Weiß.