Altersforscher betont nach Tod von Gunter Sachs Chancen für Demenzkranke

Endstation Alzheimer?

Gunter Sachs ist tot, im Alter von 78 Jahren nahm er sich das Leben. In seinem Abschiedsbrief spricht der Millionenerbe und Kunstsammler von einem Schritt gegen ein Leben ohne Würde. Er glaubte, an Alzheimer erkrankt zu sein. Ein domradio.de-Interview mit dem Krefelder Altersforscher Ralf Ihl.

 (DR)

domradio.de: Gunter Sachs fürchtete einen "würdelosen Zustand" - bringt die Demenzerkrankung den zwangsläufig mit sich, einen würdelosen Zustand?

Ihl: Nein, das ist nicht so. Grundsätzlich gibt es natürlich keine Krankheit, die angenehm ist. Aber wie bei allen anderen Krankheiten ist es auch bei der Demenz so, dass eine Unzahl von Hilfsmöglichkeiten zur Verfügung steht. Wir haben am Anfang auch einen recht moderaten Verlauf. Dann ist es zwar so, dass man Gedächtnisstörungen hat, aber man kann durchaus mit anderen Menschen kommunizieren. Auch das, was man von sich gibt, ist nicht vollkommen halt - und inhaltslos, so dass über lange Zeit auch eine gute Kommunikation mit anderen Menschen möglich ist.



domradio.de: Aber eine "ausweglose Krankheit", wie Gunter Sachs auch schreibt, ist Alzheimer schon?

Ihl: Ja - wie viele andere. Wenn Sie so wollen, ist die Zuckerkrankheit auch eine ausweglose Krankheit. Es gibt auch Herzkrankheiten, die sich nur unwesentlich verbessern lassen. Es gibt sehr viele Krankheiten, die auch weit verbreitet sind in der Bevölkerung, ohne dass man sagen würde, das führt automatisch zur Würdelosigkeit.



domradio.de: Aus dem Abschiedsbrief von Gunther Sachs lässt sich die auch die Angst heraus lesen zu Last zu fallen und die Kontrolle über den eigenen Körper zu verlieren. Ist das exemplarisch für die Angst vieler Menschen vor der Krankheit?

Ihl: Ein Teil der Menschen, die an einer Demenz erkranken, hat ein Problem mit den Gefühlen. Und zwar in der Hinsicht, dass sie sehr, sehr negativ und depressiv denken. Und dann kommen solche Gedanken auf. Gott sei Dank ist das nur ein ganz kleiner Teil der Demenzkranken. Viele Depressiven glauben, sie haben Alzheimer, haben es aber gar nicht. Man kann eigentlich nur dann davon ausgehen, wenn wirklich eine Gedächtnissprechstunde ausführlich auch untersucht hat, dass eine Demenz vorliegt. Und dann hat man auch automatisch den Zugang zum gesamten Hilfesystem. Und dann ist es auch wie bei anderen Krankheiten so, dass sie Hilfen jeglicher Art zur Verfügung gestellt bekommen. Und ein würdeloser Zustand kaum zu erwarten ist. Denn heutzutage sind wir so weit, dass wir hervorragende Unterbringungsmöglichkeiten für Menschen mit Demenz haben. Der größte Teil der Menschen kann zuhause weiterleben mit entsprechenden Unterstützungen. Wir haben mittlerweile Hausgemeinschaften für ältere Menschen, die auch ganz hervorragend mit Menschen umgehen und die auf jeden Fall vermeiden, dass es dabei zu Würdelosigkeit kommt, weil sie wirklich sehr differenziert und einfühlsam mit den Menschen umgehen.



domradio.de: Was raten Sie Menschen, die erste Anzeichen der Krankheit erkennen?

Ihl: Sie sollten dringen Hilfe aufsuchen. Am besten ärztliche Hilfe. Und am besten auch Spezialisten, in Richtung einer Gedächtnissprechstunde. Der erste Ansprechpartner kann der Hausarzt sein, der prüfen kann, ob es überhaupt einen Anlass für diese Annahme gibt. Und im nächsten Schritt wird die Gedächtnissprechstunde all die gut behandelbaren Ursachen untersuchen und feststellen, ob ein Vitaminmangel vorliegt, eine Schilddrüsenstörung oder eine Depression - die man ja auch sehr gut behandeln kann. Auf jeden Fall sollte man nicht die Flinte ins Korn werfen, bevor man überhaupt weiß, was Sache ist.



domradio.de: Lässt sich Alzheimer vermeiden?

Ihl: Die wesentlichen Faktoren - das, was sie tun können - betreffen eigentlich die Aktivität. Die geistige wie die körperliche. Zum Beispiel mindestens vier Mal die Woche eine halbe Stunde dafür aufbringen, körperlich aktiv zu sein. Da reicht es schon, spazieren zu gehen. Wir wissen, dass Nicht-Rauchen vorbeugt. Wir wissen, dass man nicht zu üppig mit Alkohol umgehen sollte. Wir wissen, dass bestimmte Nahrungsmittel auch einen Risiko-mindernden Effekt haben, wie zum Beispiel Grüner Tee, Gemüse oder auch bestimmte Obstsorten wie Erdbeeren oder Ananas. Und es gibt sogar Hinweise darauf, dass Heiraten hilft.



domradio.de: Und was hier genau?

Ihl: Das Leben ändert sich, wenn man mit einem Menschen fest zusammenlebt. Die Untersuchungen, die es gibt, haben sogar geprüft, ob Heiraten oder Zusammenleben einen Unterschied. Da ist ein kleiner - zugunsten von Heirat. Es kommt nicht darauf an, wie oft man heiratet. Nur einmal reicht.



Zur Person: Prof. Ralf Ihl ist Chefarzt der Klinik für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie am Alexianer-Krankenhaus Maria-Hilf in Krefeld.



Das Gespräch führte Stephanie Gebert.