Der Maler Emil Wachter wurde 90

Undogmatisch und universal

Wie bei kaum einem anderen Künstler unserer Zeit steht sein Leben und Schaffen im Zeichen seines Glaubens, der geistigen und ästhetischen Auseinandersetzung mit der christlichen Heilsbotschaft: Der Maler Emil Wachter wurde am Freitag 90 Jahre alt.

Autor/in:
Peter W. Kohl
 (DR)

Nach der Erfahrung des Nationalsozialismus, nach Reichsarbeitsdienst und Kriegsjahren in Russland und Frankreich stand der junge Katholik vor der Entscheidung, ob er Theologe oder Künstler werden solle. Aber nach dem Abschluss des Theologie- und Philosophiestudiums an der Universität Freiburg 1948 erwies sich der Drang zur Bildenden Kunst als stärker. Nach einem Semester an der Münchener Kunstakademie folgte 1949 ein fünfjähriges Studium an der Kunstakademie in Karlsruhe, wo Lehrer wie Hubbuch, Heckel und Trummer sein herausragendes Talent entdeckten und förderten. Der Erfolg stellte sich früh ein, bereits 1958 wurde er selbst Lehrer in Karlsruhe. 1983 wurde er, der Sprössling einer armen Bauernfamilie aus Neuburgweier bei Karlsruhe, zum Professor ernannt.



Das Werk von Emil Wachter ist kaum überschaubar. Die sichtbarsten und populärsten Zeugnisse seiner unermüdlichen Schaffenskraft und seines tiefen Glaubens finden sich an und in sakralen Gebäuden:  Wand- und Deckengemälde, Glasfenster, Gobelins, Mosaike, Plastiken sowie die von ihm entwickelten Beton-Reliefs, womit er in der Kirche in Osterburken und vor allem in der Autobahnkirche St. Christophorus in Baden-Baden seine Handschrift hinterließ.



An öffentlichen, insbesondere kirchlichen Aufträgen mangelte es Wachter, der von 1979 bis 1985 dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken angehörte, zu keiner Zeit. Seine letzte ganz große Herausforderung stellte aber wohl das 1988 fertiggestellte imposante Deckengemälde der barocken St. Martinskirche in Ettlingen dar.



Doch bei aller Nähe zur katholischen Kirche und bei aller Verbundenheit mit der Region um seinen Lebensmittelpunkt Karlsruhe - die Themen und die Formensprache der Arbeiten Wachters sind undogmatisch und universal. Sein Oeuvre umfasst Ölgemälde, Tuschzeichnungen, Aquarelle, Gouachen, Radierungen, Lithografien, Serigrafien und Skulpturen. Und es sind nicht nur biblische Gestalten und Szenen darauf zu sehen, sondern auch mehr oder weniger bekannte Mitmenschen, Landschaften und Städte, Natur-Impressionen, Tiere (vor allem in mannigfachen Variationen Vögel als Symbol der Freiheit und Unabhängigkeit), sanfte Traumgebilde, die aus der Ferne an den von Wachter geschätzten Marc Chagall erinnern.



Seine zahlreichen Reisen inspirieren ihn dabei ebenso wie die Musik, wobei er betont: "Ich meine nicht nur die von Menschen gemachte Musik, sondern auch die natürliche: Vogelgesang, Wassergeplätscher, das Rauschen der Bäume." Dabei bewegt sich Wachter mit traumwandlerischer Sicherheit im Grenzbereich zwischen Figürlichkeit und Abstraktion, lässt mit seiner vielfältigen und zugleich auf das Elementarste verknappten Formensprache viel Raum für die Imagination des Betrachters.



Seit 1963 lebt er in der Karlsruher Waldstadt, wo er sich dem von ihm gestalteten Kauz-Brunnen ebenfalls verewigte. Die Kunstwerke von Emil Wachter sind in Museen und in sakralen Räumen so präsent wie eh und je.



Im neunten Lebensjahrzehnt realisierte er noch mehrere Glasarbeiten in Kirchenbauten. Selbst das Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) gab ihm vor kurzem Raum für eine Ausstellung seiner Aquarelle zum Thema Tanz. Der Tod seiner Frau Pia - die Mutter seiner vier Kinder - im Februar dieses Jahres dürfte allerdings einen Schatten auf die Feiern zum 90. Geburtstag werfen. Wachters Schaffensfreude scheint indes ungebrochen.