Das selbsternannte Mal-Genie Markus Lüpertz wird 70 Jahre alt

Der fromme Provokateur

Es ist schwer, ihn zu fassen: Mal gibt er den Dandy, mal den Narziss oder den frommen Provokateur. Doch egal, wie Markus Lüpertz in Erscheinung tritt: Er scheint auf allen Ebenen doch immer nur ein - vorübergehender - Außenseiter zu bleiben.

Autor/in:
Julia Grimminger
 (DR)

Der Künstler, der am 25. April 70 Jahre alt wird, gilt neben Größen wie Georg Baselitz, Gerhard Richter und Anselm Kiefer als einer der herausragenden Vertreter der neuen deutschen Malerei. An Selbstbewusstsein fehlt es ihm zumindest nicht. Der Künstler sei "das Beste, Schönste und Großartigste, was die Gesellschaft hat", sagte er unlängst. Mehrmals bekräftigte er das Ziel, das Genie seiner Zeit sein zu wollen. Dabei spielt er mit dem Image des angepassten Unangepassten, pickt sich aus sämtlichen Epochen die stilistischen Rosinen heraus, poliert sein Werk mit Zitaten aus der Geschichte der Malerei auf. Was dabei heraus kommt? Ein unvergleichlicher Stil, der ihm seit Jahrzehnten Weltruhm sichert.



Geboren 1941 im böhmischen Liberec, wuchs Lüpertz nach der Flucht seiner Familie ins Rheinland in Rheydt auf. Nach der Schule machte er eine Lehre als Maler von Weinflaschenetiketten, wurde aber mit 15 Jahren wegen "mangelnden Talents" entlassen. Davon unbeirrt begann er 1956 in Krefeld ein Kunststudium. Bereits in frühen Jahren kam er mit religiösen Themen in Berührung: So beschäftigte er sich während eines längeren Aufenthalts im Kloster Maria Laach intensiv mit dem Kreuzigungsthema. Er sei nicht nur von der Muse geküsst, sondern "von göttlicher Hand berührt" worden. Lüpertz, der Gläubige.



Während Mitte der 1960er-Jahre die Malerei im Ruf des Konservativen stand, machte sich Lüpertz daran, diese Kruste aufzubrechen. 1961 wechselte er an die Düsseldorfer Kunstakademie. Er fischte sich Zitate und Textstellen aus der Geschichte der Malerei, knüpfte an historische Vorbilder an, um sie in seinem Sinne weiter zu entwickeln. Dem Neoexpressionismus der Nachkriegszeit werden viele seiner Werke zugeordnet. Er suchte Wege aus der damals übermächtigen Abstraktion, um "heftige Bilder" zu malen.



12 Fenster für Kölner Kirche St. Andreas

Auf großformatigen Leinwänden fanden bei Lüpertz unterschiedlichste Gegenstände eine neue, künstlerische Bedeutung, die Reales und Fantastisches verbindet. Für seine Auseinandersetzung mit dem Deutschland des 20. Jahrhunderts erfand der Künstler mit Schnecken (Tod), Fisch (Hunger), Stahlhelm (Krieg) und Schirmmütze (Pest) eine ganz eigene Ikonographie. Die "Welt" pries ihn einst als "kraftvoll-hedonistischen Malerfürst". Ab 1976 lehrte Lüpertz in Karlsruhe, in den 1980er-Jahre wechselte er an die Kunstakademie in Düsseldorf, deren Rektor er 1987 wurde.



Lüpertz widmete sich in dieser Zeit neben der Malerei auch Skulpturen und Bühnenbildern. Zugleich übernahm der zum Katholizismus konvertierte Künstler Aufträge zur Gestaltung von Kirchenfenstern. "Mit dem Licht zu malen", bezeichnete er als "einen der schönsten und beglückendsten Momente für einen Künstler". Seit 2005 entstanden insgesamt 12 Fenster im Chor der Kölner Kirche St. Andreas. Die Religion sei deshalb wichtig, weil sie den Glauben an Ideale, Ungereimtheiten und Unglaubwürdiges verlange. An "diesen großen Traum zu glauben, so unrealistisch er ist, finde ich wunderbar". Lüpertz, der fromme Provokateur.



2009 wurde Lüpertz nach über 20 Jahren als Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie in den Ruhestand verabschiedet. Es endete eine bewegte Zeit, in der sein akademischer Führungsstil nicht nur auf Zustimmung stieß. Man warf ihm vor, die neuen Medien im Vergleich zu traditionellen Fächern wie Skulptur und Malerei zu vernachlässigen.



Dabei ist ihm Dialog und die Vereinbarkeit unterschiedlicher Interessen grundsätzlich nicht fremd. Immer wieder setzte er sich etwa für Synergien zwischen Kunst und Kirche ein. "Wir haben keine Inquisition mehr zu fürchten. Das ist eine gute Voraussetzung, um mit der Kirche zu arbeiten." Kirche und Kunst seien nur schwer zu trennen - glichen gar einer Symbiose. Lüpertz, der Unberechenbare.