Das bevölkerungsreichste Land Afrikas Nigeria wählt Präsidenten

Unerschütterlicher Glaube an die Demokratie

Trotz Korruption und Kriminalität in höchsten Politikerkreisen haben die Nigerianer den Glauben an ihre junge Demokratie noch nicht verloren. Erst 1999 war die Zeit der Militärdiktaturen in dem westafrikanischen Land zu Ende gegangen. Für den Wahlmarathon dieses Jahres ließen sich fast 74 Millionen Wähler in Nigeria registrieren.

 (DR)

Die Präsidentenwahl am Samstag (16.04.2011)  ist das Herzstück der Wahlserie, in der auch ein neues Parlament und die Gouverneure der Bundesstaaten bestimmt werden. Von den 20 Kandidaten, die sich um die Präsidentschaft bewerben, gelten drei als ernsthafte Anwärter: Favorit ist Amtsinhaber Goodluck Jonathan von der regierenden "Demokratischen Volkspartei" (PDP). Der Christ aus dem Nigerdelta trat im Mai 2010 die Nachfolge des verstorbenen muslimischen Staatschefs Umaru Musa Yar"Adua an. An zweiter Stelle liegt der frühere Polizist Nuhu Ribadu vom "Action Congress", der sich als leidenschaftlicher Kämpfer gegen Korruption einen Namen machte.



Als dritter chancenreicher Bewerber geht Muhammadu Buhari vom "Kongress für Progressiven Wandel" (CPC) ins Rennen. Der ehemalige Militär putschte 1982 gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Shehu Shagari und führte Nigeria damit in eine Militärdiktatur. Heute ist Buhari überzeugter Anhänger des politischen Islam. Seine Bekenntnisse zur Demokratie haben einen militaristischen Unterton: "Jeder, der dem Volk im Weg steht, wird vom Volk zerdrückt werden", sagt er.



Stolz in den Straßen

In den Straßen der nigerianischen Städte war in den Tagen vor der Wahl Stolz zu spüren. Stolz darauf, dass dieses oft so chaotische und gewalttätige Land am vergangenen Wochenende doch noch eine Parlamentswahl hingekriegt hat, die als halbwegs frei und fair gilt - auch, wenn noch nicht alle Stimmen ausgezählt sind und sich die Wahlbeobachter noch nicht abschließend geäußert haben.



Obwohl das Ergebnis der Parlamentswahl noch nicht vorliegt, weil in einigen Distrikten nachträglich abgestimmt wird, ist jetzt schon eines deutlich: Die Regierungspartei PDP hat ihre Mehrheit im Parlament behalten und kann sie selbst durch die Nachwahlen nicht mehr verlieren. Aber viele einflussreiche Parteimitglieder, darunter auch Angehörige ehemaliger Präsidenten, haben keinen Parlamentssitz mehr. Das ist ein kaum zu unterschätzendes Zeichen in einem Land, in dem sich die politische Elite ihre Macht bislang immer durch Gewalt oder Geld zu sichern wusste. Diesmal wollte oder konnte sie nicht verhindern, dass die politische Landschaft nun insgesamt bunter ist.



Wichtige Rolle in Afrika

Viele der 150 Millionen Nigerianer verfolgen die Politik mit anhaltendem Interesse, obwohl sie vor allem damit beschäftigt sind, ihren Alltag zu bewältigen. Nigeria ist der größte Erdölexporteur Afrikas, aber seit der Demokratisierung 1999 waren die Politiker noch nicht einmal in der Lage, die Bürger verlässlich mit Strom zu versorgen. Und die Autofahrer müssen vor den Tankstellen immer noch stundenlang warten, weil Benzin chronisch knapp ist.



Zudem waren die Wahlen 2003 und 2007 so gewalttätig und von so vielen Fälschungen begleitet, dass sie als Farce hätten gelten können, wären nicht die vielen Toten gewesen. Auch in diesem Jahr war der Auftakt von Gewalt und Chaos begleitet, was zu Verschiebungen führte. Doch insgesamt fiel die Bilanz positiv aus. Sollte sich der Eindruck bei der Präsidentenwahl am Samstag bestätigen, hätte Nigeria einen großen Schritt getan.



Das bevölkerungsreichste Land Afrikas spielt wegen seiner Wirtschaftskraft und Rohstoffe eine wichtige Rolle auf dem Kontinent. Sein Einfluss wird mit weiter steigenden Ölpreisen und angesichts der Krise in Libyen zunehmen. Ein Präsident, der durch halbwegs korrekte Wahlen legitimiert ist, ist in diesem Umfeld wichtig. Womöglich beugte sich die politische Klasse deshalb im letzten Moment halbwegs den demokratischen Regeln. "Kurz vor dem Absaufen haben sie alle gemeinsam die Reißleine gezogen", sagt der Buchautor und Kenner des Landes, Heinrich Bergstresser.