Franz Alt erwartet nicht viel vom Berliner Energiegipfel

"Der liebe Gott war nicht doof!"

Einen Monat nach der Atomkatastrophe in Japan empfängt Bundeskanzlerin Merkel heute die Ministerpräsidenten der Länder zu einem Energiegipfel im Kanzleramt. Hauptthema soll die rasche Wende hin zu erneuerbaren Energien sein. Ökostrom-Lobbyist Franz Alt traut im domradio.de-Interview dem Gipfel nicht viel zu.

 (DR)

domradio.de: Herr Alt, Bundeskanzlerin Merkel versucht jetzt mit den Ministerpräsidenten einen Konsens zu erreichen. Gauben Sie, dass alle Ministerpräsidenten in dieser Sache an einem Strang ziehen werden? --
Franz Alt: Da bin ich nicht sicher. Da gibt es ganz verschiedene Interessen und vor allem verschiedene Lobbyinteressen. Nur, wenn die 100%-ige Energiewende zugunsten der Erneuerbaren gewünscht ist, dann ist das in 20 Jahren möglich. Schauen Sie einmal, allein die Sonne schickt uns jede Sekunde unseres Hierseins 15.000 Mal mehr Energie, als alle Menschen brauchen, die Windkräfte 300 Mal mehr. Also wir haben alles: die Biomasse, die Wasserkraft, die Erdwärme kommen noch dazu, ebenso solar erzeugter Wasserstoff. Wir haben alles, was wir brauchen. Es gibt auf dieser Erde kein Energieproblem! Der liebe Gott war nicht doof! Und die Evolution war nicht blöd! Alle Menschen haben alles, was sie brauchen, wenn wir uns endlich auf die von der Natur vorgesehenen Energiequellen besinnen, nämlich die Sonne, den Wind und die anderen erneuerbaren Energien. Wir brauchen neue Leistung, wir brauchen neue Netze. Darum wird der Streit heute Mittag im Kanzleramt gehen. Aber das ist machbar: Eine Welt, die auf den Mond fliegen kann, kann auch zu 100% auf erneuerbare Energien umsteigen. Es gibt da kein eigentliches großes Problem.



domradio.de: Es wird ja immer das Problem ins Feld geführt, dass bei einem Atomausstieg der Strom tatsächlich teurer würde. Ist dieser Diskussionspunkt gerechtfertigt?--
Alt: Nein, der ist nicht gerechtfertigt! Ich habe einmal für eine meine TV-Sendungen ausrechnen lassen, wie teuer Atomstrom sein müsste, wenn realistisch gerechnet würde und wenn wir die Folgekosten nicht unseren Kindern und Enkeln überlassen würden. Ergebnis laut Fraunhofer Institut, also höchste deutsche Wissenschaft: 2 Euro pro Kilowattstunde! Es gibt keine billigere Energie, wenn ich die Folgekosten mitbedenke, als die erneuerbaren Energiequellen. Sie sind allesamt Geschenke der Natur, Geschenke des Himmels, Geschenke von ganz, ganz oben, im wahrsten Sinne des Wortes! Schauen Sie einmal: Wir haben auf unserem Hausdach seit 20 Jahren zwei Solaranlagen, eine erzeugt Strom, die andere Wärme. Und ich kann Ihnen versichern, dass wir in 20 Jahren von der Sonne noch nie eine Rechnung bekommen haben. Überlegen Sie einmal, was Sie in 20 Jahren an Energiekosten gezahlt haben. Also: Jeder kann umsteigen, Millionen Häuser warten darauf, dass wir sie endlich mit solarer Energie versorgen.



domradio.de: Liegt das Problem am Ende daran, dass mit Solarstrom doch nicht so viel Geld gemacht werden kann, wie das mit Atomstrom und auch Strom aus fossilen Quellen der Fall ist? --
Alt: Aber natürlich! Die vier Besatzungsmächte, die wir in Deutschland heute haben: RWE, E.ON, Vattenfall und EnMBW verdienen sich dumm und dusselig. Die verdienen Milliarden, weil wir abhängig sind, wir liegen in den Fesseln der alten Energiewirtschaft. Die Gewinner der erneuerbaren Energiewende sind Millionen Hausbesitzer. Das sind Hunderttausende Bauern, die Bio-Energie zur Verfügung stellen. Das sind Mittelständler, die in der Zukunft Geschäfte machen. Das sind Handwerker vor Ort. Und es gibt nur wenige Verlierer, es gibt aber Millionen Gewinner. Es kann einen gesellschaftlichen Aufbruch geben. Ich habe der Kanzlerin ja in einem offenen Brief geschrieben, sie solle diesen gesellschaftlichen Aufbruch wagen. Die 17% Ökostrom, die wir heute schon in Deutschland haben, sind von unten organisiert worden, nicht von oben, nicht von den vier Energieriesen. Von unten, von den Menschen vor Ort, von den Bürgermeistern, von den Handwerkern, von den Landräten - das sind die Träger der solaren Energiewende.



domradio.de: Kurz- und mittelfristig muss natürlich jetzt erst einmal in die Stromnetze investiert werden und auch in die erneuerbaren Energien, damit sie überhaupt funktionieren. Wer soll diese Kosten tragen?--
Alt: Alle zahlen immer alles, logisch. Die Energiekosten fallen doch heute auch schon an, jeder Liter Benzin kostet, jede Kilowattstunde Strom kostet. Nichts ist so teuer, wie mit der alten Energie weiterzumachen. Nichts ist so preiswert, wie so rasch wie möglich umzusteigen. So rasch wie möglich heißt nicht. Bis morgen früh! Ich bin Realist. Aber in 20 Jahren kann ich eine Gesellschaft wie die deutsche zu 100% in eine erneuerbare Energiewirtschaft umbauen. Natürlich kostet das Geld, nur: Die heutigen Investitionen sind Gewinne von morgen! Wer das begreift, wird zum Exportweltmeister der Zukunft! Natürlich kostet auch erneuerbare Energie, aber keine erneuerbare Energie kostet die Zukunft.



domradio.de: Gestern haben wir es ja im Bundestag mit einem ganz anderen Thema zu tun gehabt, nämlich mit der Präimplantationsdiagnostik (PID), da wurde parteiübergreifend nach Lösungen gesucht. Meinen Sie diese Einigkeit über die Fraktionsgrenzen hinweg wäre jetzt auch beim Thema Energieerzeugung und -gewinnung der Zukunft wünschenswert?--
Alt: Wir haben ein hervorragendes gesetzgeberisches Instrument in Deutschland, nämlich das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Das haben zuletzt fast alle Parteien im deutschen Bundestag unterstützt, von links nach rechts, sogar einige von der FDP, was bemerkenswert war. Aber alle anderen haben es unterstützt, weil sie sehen, das ist das erfolgreichste gesetzgeberische Instrument auf der ganzen Welt. 47 Länder weltweit haben dieses Gesetz übernommen. Und auf der Basis dieses Gesetzes haben wir den Strom aus erneuerbaren Energien in 10 Jahren mehr als verfünffacht! Von 3% auf 16 oder 17% inzwischen. Das heißt: Hier haben alle Parteien an einem Strang gezogen. Das muss bei einer so wichtige Geschichte wie der Energiewende auch so sein, das betrifft ja alle, ohne Energie läuft gar nichts, das weiß jedes Kind, das lernt jeder im Physikunterricht. Ohne Energie kann Deutschland kein Zukunftsland sein. Ohne Energie könnten wir gar nicht am Telefon miteinander reden. Das heißt, die Energie ist die Voraussetzung für den Wohlstand von morgen. Ich denke, in allen Parteien gibt es kluge Leute, die das begreifen, weil die alten Energien alle zu Ende gehen. Wir haben den Treibhauseffekt, die alten Energien sind nicht unendlich, sondern endlich. Und sie werden immer teurer. Das heißt: Der rasche Umstieg ist die Voraussetzung dafür, dass es uns morgen gut geht.

Interview: Christian Schlegel