Ein Kommentar zur Kirchenkrise

Die Frohe Botschaft glaubwürdig vorleben

domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen kommentiert die neuen Kirchenaustrittszahlen und meint: "Erst wenn die Christenheit wieder mehr Begeisterung als Fußballvereine oder DSDS-Promis auslöst, dürfte eine Trendwende geschafft sein. Auch wenn der Weg dahin weit erscheint, heißt das aber nicht, dass jeder von uns nicht heute schon aufbrechen kann."

Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Boecker
Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Boecker

"Das ist schmerzlich für uns …", sagte im domradio Prälat Dr. Dominik Schwaderlapp. Der Generalvikar des Erzbischofs von Köln brachte damit seine Gefühlslage und tiefe Sorge zum Ausdruck, die ihm die 15.163 Kirchenaustritte des vergangenen Jahres im Erzbistum Köln machen. Im Vergleich zu 2009 ist das in nur einem Jahr ein besorgniserregender Anstieg um 41 Prozent. Aber nicht nur in Deutschlands größtem Bistum kehrten im letzen Jahr scharenweise die Katholiken ihrer Kirche frustriert und enttäuscht endgültig den Rücken.



Nach einer Zusammenstellung der Zeitung "Christ und Welt" haben 2010 bundesweit rund 180.000 Katholiken ihren Austritt erklärt. Diese hohe Welle der Kirchenaustritte macht nicht nur dem Kölner Generalvikar schwer zu schaffen. Viele Christen machen sich derzeit größte Sorgen um ihren "eigenen Laden". Denn während in den Vorjahren die Kirchenaustritte sich vielfach mit Argumenten der Steuerersparnis erklären ließen, weiß diesmal jeder: Die Krise ist hausgemacht. Die vielen bekannt gewordenen Missbrauchsfälle von Kirchenmännern und in kirchlichen Einrichtungen haben deutliche Spuren hinterlassen. Unprofessionelle Krisenbewältigung und Medienarbeit kam nicht selten hinzu. Katholiken, die so z.B. mit dem Amtsgebaren von Bischof Mixa unzufrieden waren, traten dann eben nicht nur in dessen Bistum Augsburg aus ihrer Kirche aus, sondern irgendwo in der Katholischen Kirche in Deutschland, ob in Hamburg, Münster oder Köln. Für vermutlich nicht wenige, die da ausgetreten sind, war der Missbrauch nur der letzte Tropfen, der das Fass der Frustrationen und Enttäuschungen endgültig zum Überlaufen brachte.



Christen, egal ob sie nun Leitungsverantwortung tragen oder nicht, dürfen angesichts solcher Zahlen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wer glaubt, das Schlimmste habe man jetzt aber doch hinter sich und die schwere Vertrauenskrise sei spätestens mit dem ausgerufenen "Dialog" überwunden, der blendet die vielen immer noch hörbaren Misstöne in Gesellschaft und Kirche unverantwortlich aus!



Es stimmt schon, wer beim Pflügen immer nur zurückschaut, wird kaum eine vorzeigbare Furche hinbekommen. Aber ob man wirklich auf dem richtigen Acker unterwegs ist, darf man sich schon fragen. Die Ernte wird groß sein, aber nur wenn es der richtige Weinberg ist und jeder sich nicht nur auf den Nebenmann oder Vorarbeiter verlässt! "Geht hinaus in alle Welt und verkündet allen Geschöpfen das Evangelium." (MK16,15) Dieser Auftrag Jesu gilt für alle Christen, ohne Ausnahme. Und das beste Zeugnis gibt der ab, der die Frohe Botschaft glaubwürdig vorlebt und voll Freude lautstark weitersagt. Erst wenn die Christenheit wieder mehr Begeisterung als Fußballvereine oder DSDS-Promis auslöst, dürfte eine Trendwende geschafft sein. Auch wenn der Weg dahin weit erscheint, heißt das aber nicht, dass jeder von uns nicht heute schon aufbrechen kann.