Bruder Paulus Terwitte zum sinkenden Ansehen von Pfarrern

"Unsere Botschaft passt in keinen Imagekatalog"

Das öffentliche Ansehen und Vertrauen in Geistliche und Pfarrer geht stark zurück. Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach zählen nur noch 28 Prozent der Deutschen den Pfarrer zu den Berufen, denen sie besondere Achtung entgegenbringen. Kapuzinerpater Paulus Terwitte

 (DR)

domradio.de: Konzentrieren wir uns einmal auf Ihren Berufsstand, die Priester und Pfarrer. Überrascht Sie der Vertrauensverlust?

Bruder Paulus: Der überrascht mich natürlich nicht, weil wir erstens in Deutschland ein abnehmendes kirchliches Leben verzeichnen. Und auch in Europa. Dann kommt die Frage nach dem Missbrauchsskandal hoch, der überall diskutiert wird, in allen europäischen Ländern steht das in der Zeitung. Und viele Menschen haben, gelinde gesagt, noch nie Kontakt mit einem Priester gehabt und kennen solche Bilder nur aus "Dornenvögel" oder aus "Leben einer Nonne" oder was auch immer und haben irgendwelche kruden Vorstellungen, so dass sie selber sagen: Nee, zu denen habe ich kein Vertrauen.



domradio.de: Taxifahrern sagt man ja eine gewisse Schlitzohrigkeit nach. Aber in der genannten Umfrage erscheinen sie vor den Pfarrern und Priestern, sind also offenbar vertrauenswürdiger. Nicht ganz ernst gemeinte Frage: Würden Sie sich selbst da platzieren?

Bruder Paulus: Ich würde mich selber platzieren als einer, der vertrauenswürdiger ist als ein Taxifahrer. Dafür kenne ich zu viele. Ich glaube, dass wir solche Umfragen auch mit Vorsicht genießen müssen, denn da wird eher ein Bild der Menschen abgefragt, das sie von Priestern und Pfarrern haben. Und es ist klar: Wenn man 50 Feuerwehrleute sieht, wie sie in den japanischen Atomkraftwerken arbeiten, da hat man mehr Vertrauen zu denen. Man sieht natürlich nicht, dass da 18 Kapuziner in der Gegend unterwegs sind, die versuchen, in Obdachlosenzelten den Menschen zu helfen.



domradio.de: Wie schaffen es denn Ärzte, unter den Top 5 zu sein? Auch hier gibt es Pfuscher, schwarze Schafe, die die Krankenkassen betrügen, und Mediziner, die mit zwei Wartezimmern die Privatversicherten von den vermeintlich wertlosen Kassenpatienten trennen. Alle diese Fälle gibt es. Warum haben die Ärzte trotzdem ein so gutes Image?

Bruder Paulus: Ich glaube, dass liegt wiederum daran, dass alle Leute einen Arzt kennen und die meisten machen, Gott sei Dank, bessere Erfahrungen mit ihren Ärzten als das, was wir von den schwarzen Schafen hören. Die Menschen sind da näher dran. Außerdem liegt einem die medizinische Gesundheit mehr am Herzen als das Seelenheil. Von daher braucht man einen Arzt für das irdische Leben eher als einen Priester für das ewige Leben. Da haben sich die Vorstellungen auch wirklich verschoben: Wir leben in einer säkularen Gesellschaft, die materialistisch geprägt ist. Da sind diejenigen, die die Blutzellen zählen und die einen noch fünf Jahre länger leben lassen, einfach wichtiger als solche, die die Auferstehungsbotschaft verkünden. Wir haben immer weniger Menschen, die glauben. Deswegen finde ich das jetzt nicht so tragisch, dass die Priester kein so gutes Image haben. Man könnte sogar sagen: Es ist ganz gut so, dass sie kein so gutes Image besitzen, weil sie eine Botschaft zu verkünden haben, die in keinen Imagekatalog passt.



domradio.de: Ist die Kirche denn auf dem richtigen Weg, um das schwer beschädigte Image wieder zu reparieren?

Bruder Paulus: Ich glaube, dass die Institution Kirche einen kräftigen Schuss vor den Bug bekommen hat, diese Selbstsicherheit, mit der man noch geglaubt hatte, auftreten zu können, weil man ja noch so ein schönes altes Erbe hat, die schwindet. Und es werden jetzt wieder mehr die Charismatiker gefragt sein, die Menschen, die voller Freunde den Glauben verkünden, die glaubwürdig die Inhalte des Glaubens weitertransportieren. Dass da, mit Verlaub, ein Kölner Dom in Köln steht, das ist für viele schon kein Zeichen mehr von der Demut des Evangeliums und von der Größe der menschlichen Würde, die Jesus uns verkündet hat. Das ist ein Zeugnis einer mächtigen Kirche, die den Armen das Geld aus der Tasche gezogen hat. Diese Perspektive haben viele Menschen, und das müssen wir zur Kenntnis nehmen, und die Öffentlichkeitsarbeit der Kirche tut gut daran, dass sie tatsächlich wieder auf die Herzen schaut und jene, die ein Charisma haben, die gerne von Jesus sprechen, in den Vordergrund stellt, und die Amtsträger und die, die die Struktur der Kirche bilden, die auch wichtig sein mögen, die müssen erst einmal einen Schritt zurücktreten, weil man denen vor allen Dingen misstraut.



Interview: Monika Weiß