Lage in der Elfenbeinküste bleibt angespannt

Noch keine Entwarnung

Die internationale Staatengemeinschaft erhöht den Druck auf die Bürgerkriegsparteien in der Elfenbeinküste. Anscheinend zeichnet sich eine Lösung im Konflikt zwischen dem gewählten Präsidenten Alassane Ouattara und seinem Amtsvorgänger Laurent Gbagbo ab. Für die Menschen ist die Lage jedoch immer noch dramatisch. Rudi Tarneden von Unicef macht sich im domradio.de-Interview vor allen Dingen Sorgen um bedrohte Mütter und Kinder.

 (DR)

domradio.de: Der Außenminister der Elfenbeinküste hat ein Ende des Krieges verkündet. Ansonsten ist die Situation aber eher undurchsichtig. Wie bewerten Sie die Situation in dem afrikanischen Land?

Rudi Tarneden: Also die Informationen, die jetzt so spärlich nach draußen dringen, sind nach wie vor sehr widersprüchlich. Auf der einen Seite gibt es Hinweise, dass sich der bisherige Amtsinhaber zurückziehen will, dann wieder gibt es Durchhalteparolen. Es gibt Aussagen über einen Waffenstillstand, dann wieder werden Drohungen ausgesprochen. Insofern ist es sehr, sehr schwer, die tatsächlichen Machtverhältnisse zu beurteilen. Ganz sicher ist, dass die humanitären Kosten dieser Dauerkrise, die sich jetzt ja schon Monate lang hinzieht, enorm sind, dass das insbesondere auf dem Rücken der Frauen und Kinder ausgetragen wird und dass das eine ganz, ganz schwere Krise für das ganze Land ist.



domradio.de: Über Ouattara, den international anerkannten Präsidenten, gibt es Berichte über ein Massaker in der Stadt Duékoué im Westen des Landes. Was wissen Sie darüber?

Tarneden: Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen gibt es immer wieder aus der Elfenbeinküste. Dieses Massaker wird zur Zeit von den Vereinten Nationen untersucht. Es ist auch ein UN-Vertreter in diesem Ort, wo nach meinem Informationen bisher etwa 200 Leichen geborgen worden sind. Man sammelt Informationen, und es ist jetzt ganz wichtig, alles festzuhalten und zu rekonstruieren, denn es ist ganz klar: Eine Voraussetzung für Versöhnung oder Frieden ist, dass solche Menschenrechtsverletzungen aufgearbeitet werden. Man darf nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.



domradio.de: Was bedeutet das denn für die Kinder im Land? In welcher Welt wachsen sie auf, wenn der neue Präsident nun an die Macht kommt?

Tarneden: Man muss sich klar machen, dass die Elfenbeinküste ja eigentlich ein relativ wohlhabendes, stabiles Land war, sie galt über viele Jahre als die Schweiz Afrikas. Jetzt ist das Land in einen Strudel von ethnischen und machtpolitischen Auseinandersetzungen geraten. Und das hat dazu geführt, dass die Grundversorgung vieler Kinder und Jugendlicher sehr, sehr gelitten hat. Schon seit Monaten können Hunderttausende Kinder nicht richtig zur Schule gehen, z.T. weil Schulen von Flüchtlingen besetzt worden sind. Die Versorgung mit Wasser und Medikamenten ist eingeschränkt. Es ist eine schlimme Zeit, wenn ein Kind z.B. krank wird oder wenn eine Frau ein Baby erwartet. Für diese Menschen, die im Grunde genommen mit diesem Konflikt nichts zu tun haben, sind das ganz, ganz schlimme Wochen. Und es ist besonders bedrückend, dass es bei allen Konfliktparteien so ist, dass Minderjährige rekrutiert werden.



domradio.de: Besonders kommt auch die andauernde Gewalt hinzu. Welche Hilfe brauchen die Kinder da?

Tarneden: Also es ist ganz klar, dass es jetzt darauf ankommt, die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung zu stoppen. In Abijan war es heute Nacht wohl vergleichsweise ruhig, wobei viele Menschen die Stadt verlassen haben und die, die da geblieben sind, die Zivilisten, die verbarrikadieren sich in ihren Wohnungen. es ist jetzt ganz, ganz wichtig, überhaupt eine Waffenruhe herbeizuführen und im nächsten Schritt möglicherweise dann Bewaffnete, und vor allem junge Bewaffnete, zu entwaffnen, dass man die Waffen wieder einsammelt. Man hat im Grunde einen Teufel aus der Flasche gelassen, indem man z.B. Jugendbanden bewaffnet hat. Ein ganz wichtiger Punkt aus der Sicht von UNICEF ist auch der Zugang für humanitäre Helfer. Wir haben zwar Hilfsgüter in den letzten Tagen verteilen können, allerdings nur sehr, sehr eingeschränkt, in Abijan ist es schlicht unmöglich. Und dann geht es darum, die Grundversorgung in den kommenden Monaten mit Wasser, Medikamenten und Nahrung sicherzustellen. Also für die UN bedeutet das eine große humanitäre Operation, in der Hoffnung, dass das vor dem Hintergrund eines hoffentlich bald befriedeten Konfliktes möglich ist.



Interview: SImone Bredel