Lale Akgün zur Debatte um einen Boykott der Islam-Konferenz

"Ruhig und still begraben"

Nach den jüngsten Kontroversen bei der Islam-Konferenz fordern Teile der SPD die Muslime zum Boykott der Runde auf. Der Appell stößt nicht nur bei der Union auf Protest - sondern auch bei den Grünen und der Alevitischen Gemeinde. Im Interview begründet die SPD-Politikerin Lale Akgün, die das Referat "Internationale Zusammenarbeit" im NRW-Integrationsministerium ihre Ablehnung der Konferenz.

 (DR)

domradio.de: Nach einer heftigen Debatte zum Boykott aufzurufen, das bezeichnet der Vizevorsitzende der Alevitischen Gemeinde in Deutschland wörtlich als "Blödsinn". Wie würden Sie einen Boykott der Islamkonferenz bezeichnen?--
Lale Akgün: Nun, Sie wissen, dass ich von Anfang an dieser Islamkonferenz sehr kritisch gegenüberstand und der Meinung war, dass sie abgeschafft gehört. Also, man sollte nicht zum Boykott der Konferenz aufrufen, sondern diese Islamkonferenz ruhig und still begraben.

domradio.de: Aus welchem Grund?--
Lale Akgün: Ich glaube, wenn man sich einmal anschaut, welchen Sinn eigentlich eine Konferenz auf Bundesebene hat, da kommt man sehr schnell zu dem Schluss, dass eigentlich der Bund zum Thema Religion wenig zu sagen hat. Sie wissen: Religion ist Ländersache und muss auf Länderebene bearbeitet werden. Dort fallen die wirklich wichtigen, effektiven, konkreten Entscheidungen, auch für die religiösen Gruppierungen. Das heißt der Bund macht an dieser Stelle eher Symbolpolitik. Und ich finde, man hat schon genug Symbolpolitik bei diesem Thema gemacht und die Islamkonferenz hat meiner Meinung nach gar nichts bewirkt. Und im Moment bewirkt sie sogar das Gegenteil von dem, sie erzürnt die Menschen, sie schafft Polarisierung in der Gesellschaft. Und aus diesem Grunde bin ich der Meinung, es reicht mit der Islamkonferenz.

domradio.de: Innenminister Friedrich steht in der Kritik - ist er wirklich so ungeeignet oder passt das nicht eher ins stereotype Bild, in das ein CSU-Politiker in diesem Amt bei der nächstbesten Gelegenheit gerne gesteckt wird?--
Lale Akgün: Nun, ich glaube, der Bundesinnenminister ist eigentlich an dieser Stelle richtig in ein Fettnäpfchen getreten. Sie machen ja keine Konferenz, um Leute zu kontrollieren oder zu kritisieren. Das ist ja nicht der Sinn einer Konferenz. Also sie machen ja nicht eine Konferenz mit einer Zielgruppe, um dann dieser Zielgruppe zu sagen, dass sie nicht dazugehört. Deswegen glaube ich, dass der Bundesinnenminister es sehr schlecht angefangen hat mit der Islamkonferenz. Er war sehr viel ungeschickter als seine Vorgänger und hat da jetzt auch ein Stückweit Vertrauen verloren. An diesem Punkt kann man schlecht weitermachen.

domradio.de: Was halten Sie denn von Friedrichs Idee der Sicherheitspartnerschaft, die nach seiner Vorstellung zwischen Muslimen und deutschem Staat geschlossen werden soll?--
Lale Akgün: Das ist ja nun wirklich Blödsinn hoch 3. Was soll das denn für eine Sicherheitspartnerschaft werden. Ich benutze ungern ausgelutschte Worte wie Generalverdacht und so, aber ich glaube zu denken, dass man die Leute in der Moschee dazu bringen könnte, zu gucken, wer redet hier demokratiekonform und wer nicht, das ist nicht sehr zielführend, weil die meisten Menschen natürlich demokratiekonform sind. Und die anderen, die es nicht sind, werden sich hüten, es in der Öffentlichkeit zu sagen. Der Staat braucht und hat auch andere Mechanismen, um diejenigen zu kontrollieren, zu überwachen, die nicht mit unserer Demokratie übereinstimmen. Wir haben einen Verfassungsschutz, wir haben Polizei, das sind die richtigen Organe, um Leute zu beobachten und unsere Sicherheit sicherzustellen. Aber nicht die Moscheegemeinde oder der Imam.

domradio.de: Sagen Sie schlicht, Islamkonferenz abschaffen, oder wie könnte man sie fortführen oder besser gestalten?--
Lale Akgün: Ich sage schlicht und ergreifend, Islamkonferenz abschaffen, denn das Ding hat sich selbst überlebt. Es war ein Medienhype, um das Wort mal zu benutzen. Es wurde genügend darüber in der Öffentlichkeit geredet. Man hat ja die Auseinandersetzung mitbekommen. Und ich glaube, an der Stelle ist es gut gewesen, und wir oder die Verantwortlichen sollten sich nun der konkreten Arbeit zuwenden, wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, und zwar dort, wo wirklich die Arbeit getan werden muss: vor Ort in den Kommunen und auf Länderebene. Und ansonsten denke ich, ist es genug mit der Symbolpolitik.

Interview: Uta Vorbrodt